Nach 1Kön 6,1+37 legte Salomo die Grundmauer des Hauses Jahwes in seinem 4. Regierungsjahr, das dem 480. Jahr ab dem Auszug aus Ägypten entsprach. In dieser 480-Jahres-Frist liegen somit Wüstenwanderung, Landnahme, Richterzeit und die Regierungszeiten von Saul und David. Zur Überbrückung der chronologisch nicht leicht zu deutenden frühen Richterzeit hilft eine in Ri 11,26 genannte Frist von 300 Jahren, die von der Eroberung Heschbons bis zum ersten Richterjahr Jeftahs reicht. Vom Exodus bis zur Eroberung Heschbons vergingen etwa 39 Jahre. Es folgten die 300 Jahre bis zum Beginn der Richterzeit Jeftahs, der danach 6 Jahre regierte (Ri 12,7). Daran schließen sich die Zeiten der Richter Ibzan (7 Jahre, Ri 12,8-10), Elon (10 Jahre, Ri 12,11-12) und Abdon (8 Jahre, Ri 12,13-15) an. Die Regierungszeiten dieser vier Richter sind jeweils durch die Phrase „und … starb und wurde begraben in … und nach ihm richtete …“ verbunden (Ri 12,7-13). Damit sind Überschneidungen der genannten Zeiten ausgeschlossen. Der Text von Ri 12,7-15 legt auch von seinem gesamten Aufbau jeweils unmittelbar aufeinanderfolgende Richterzeiten nahe. Bis zum Ende der Regierungszeit Abdons waren somit seit dem Exodus (39 + 300 + 6 + 7 + 10 + 8 =) 370 Jahre vergangen. Zusammen mit der Regierungszeit Sauls (40 Jahre, Apg 13,21), Davids (40 ½ Jahre, 2Sam 5,4-5) und Salomos (4 Jahre bis zum Beginn des Tempelbaus) ergeben sich somit 454 Jahre. Zu 480 fehlen somit nur noch 26 Jahre.

Es besteht ein weitgehender Konsens unter den Auslegern, dass vor Einsetzung von König Saul durch den Propheten Samuel, dieser selbst längere Zeit als Richter amtierte (1Sam 7,6; 1Sam 8,1-5). Die verbleibende Lücke von 26 Jahren zwischen Richter Abdon und König Saul kann daher durch die Richterzeit Samuels geschlossen werden. Die 40-jährige Amtszeit als Richter des Hohepriesters Eli endete mit dessen Tod 20 Jahre und 7 Monate vor der Volksversammlung in Mizpa, bei der Samuel das Volk – wohl zum ersten Mal – richtete (1Sam 4,17-18; 1Sam 6,1; 1Sam 7,2). Elis Richterzeit muss somit parallel zu anderen Richtern eingeordnet werden. Sie endete im fünften Jahr des Richters Ibzan. Die Geschichte Simsons in Ri 13 – 16 muss genauso als Anhang an das Richterbuch gewertet werden, wie die beiden weiteren Berichte in Ri 17 – 18 und Ri 19 – 21. Alle drei Anhänge sind in den chronologisch geordneten Teil in Ri 1 – 12 einzuordnen. Die in Ri 13,1 erwähnte 40-jährige Unterdrückung durch die Philister, an deren Beginn die Geburt des späteren Retters Simson angekündigt wurde, kann mit der in Ri 10,7 ohne ihre Dauer erwähnten Unterdrückung durch die Philister gleichgesetzt werden. Sie endete durch den von Simson am Ende seiner 20-jährigen Richterzeit verursachten Einsturz des Dagon-Tempels in Gaza, bei dem alle fünf Fürsten der Philister und viel Volk umkamen, im gleichen Jahr wie die 18-jährige Unterdrückung durch die Ammoniter im Ostjordanland (Ri 10,7-8), die durch den neuberufenen Richter Jeftah besiegt wurden. Diese Einordnung der Richter Samuel, Eli und Simson habe ich ausführlich in den unten verlinkten Abschnitten 9.1.1 bis 9.1.1.5 begründet und in Anlage 22a in einer tabellarischen Übersicht zusammengefasst. Mit den vorstehenden Deutungsvorschlägen ist der Rahmen der 480-Jahresfrist abgesteckt.  

Diesen Gesamtrahmen plausibilisiere ich in den Abschnitten 9.1.2 bis 9.1.2.7 anhand eines Szenarios zur Entstehung des Richterbuches sowie der Topografie des Landes Israel. Daraus ergeben sich Hinweise für die Deutung der chronologischen Angaben für die frühe Richterzeit, wo ebenfalls durch die parallele Anordnung einiger Zeiträume die vorhandenen Deutungsprobleme gelöst werden können. Dies zeige ich durch die Aufstellung einer Chronologie für die 300 Jahre von der Eroberung Heschbons bis zum ersten Jahr des Richters Jeftah (siehe Anlage 22b). Zur weiteren Plausibilisierung ordne ich auch die in 1. Chronik und 1. Samuel namentlich genannten Hohepriester in den Gesamtrahmen der 480 Jahre ein (siehe Anlage 22c). In Abschnitt 9.1.3 zeige ich anschließend wie dieser Zeitrahmen an unsere heutige Zeitrechnung angebunden werden kann.

Als Ergebnis dieser umfassenden Untersuchung des biblischen Kontextes kann in den Abschnitten 9.1.4 bis 9.1.4.2 die vor allem von Ägyptologen vertretene Verkürzung des 480-Jahres-Zeitrahmens vom Exodus bis zum Tempelbau auf 300 Jahre ebenso wie die von einigen Auslegern vor allem aus dem bibeltreuen Lager vertretene Verlängerung auf 594 Jahre als nicht mit den biblischen Angaben vereinbar zurückgewiesen werden.  

Auflistung und Verlinkung der Unterabschnitte 9.1ff

9.1         Die 480-Jahres-Frist vom Exodus bis zum Tempelbau (1Kön 6,1)

9.1.1      Die Einordnung der Richter Samuel, Simson und Eli  

9.1.1.1 Die Regierungszeit Samuels als Richter

9.1.1.2 Der chronologisch geordnete Teil des Richter-Buchs und seine Anhänge

9.1.1.3 Die chronologische Einordnung des Anhangs mit dem Simson-Bericht

9.1.1.4 Die 40-jährige Amtszeit als Richter des Hohepriesters Eli und seine Co-Richter

9.1.1.5 Tabellarische Übersicht der 480-Jahres-Frist mit Einordnung von Samuel, Simson und Eli

9.1.2      Ein Szenario zur Entstehung des Richterbuches und die Chronologie der 300-Jahres-Frist aus Ri 11,26

9.1.2.1 Eli als Verfasser der Berichte über Simson, die Unterdrückung durch die Ammoniter und den Richter Jeftah

9.1.2.2 Pinhas als Verfasser des ersten Berichts im Richterbuch und von zwei Anhängen     

9.1.2.3 Der Verfasser des zweiten Berichts im Richterbuch von Ri 2,6 – Ri 3,31

9.1.2.4 Berücksichtigung der Topografie des Landes Israel bei der Deutung der chronologischen Angaben zur Richterzeit

9.1.2.5 Die chronologische Einordnung von Richtern, ausländischen Herrschern und Ruhezeiten innerhalb der 300-Jahres-Frist

9.1.2.6 Die von weiteren Hohepriestern verfasste übrige Geschichtsschreibung im Richterbuch     

9.1.2.7 Samuel als Redaktor des Richterbuches

9.1.3      Die Anbindung der 480-Jahres-Frist vom Exodus bis zum Tempelbau an unsere heutige Zeitrechnung

9.1.4      Zurückweisung einer Verkürzung oder Verlängerung der 480-Jahres-Frist 

9.1.4.1 Die abzulehnende Verkürzung der 480-Jahres-Frist auf 300 Jahre

9.1.4.2 Die abzulehnende Verlängerung der 480-Jahres-Frist auf 594 Jahre