Absalom war der drittälteste Sohn Davids. Seine Mutter war die Tochter des Königs von Geschur, die David wohl erst heiratete, nachdem er in Hebron zum König gekrönt worden war (2Sam 3,2-3):
2 Und es wurden David in Hebron Söhne geboren: Sein Erstgeborener war Amnon, von Ahinoam, der Jesreeliterin, 3 und sein zweiter Kilab, von Abigajil, der Frau des Karmeliters Nabal, und der dritte Absalom, der Sohn der Maacha, der Tochter Talmais, des Königs von Geschur,
Absalom war also auch mütterlicherseits von königlicher Abstammung. Nachdem Amnon, der Erstgeborene Davids, Absaloms Schwester Tamar vergewaltigt hatte, wartete dieser eine günstige Gelegenheit ab und brachte Amnon um (2Sam 13,6-15+22-23+28-29). Danach floh er zu seinem Großvater, dem König von Geschur, wo er drei Jahre blieb, bis Joab bei David die Erlaubnis für seine Rückkehr nach Jerusalem erwirkte und ihn zurückbrachte (2Sam 13,37-38; 2Sam 14,21-23). Es dauerte aber noch zwei Jahre bis er wieder vor dem König erscheinen durfte und wieder in seinen Stand als Königssohn eingesetzt wurde (2Sam 14,24+28+33). Ab diesem Zeitpunkt begann er mit der Vorbereitung seines Aufstands gegen den König. Als Erstes schaffte er sich einen Wagen und Pferde an und ließ 50 Mann – eine Einheit à 50 Soldaten als Ehrengarde – vor seinem Wagen herlaufen (2Sam 15,1). So erweckte er den Eindruck, er wäre als Kronprinz eingesetzt.1 Parallel dazu warb er um die Zuneigung des Volkes und stahl so dessen Herz (2Sam 15,2-6). Als er genug Anhänger gewonnen hatte, sandte er Geheimboten an ganz Israel und ließ sich in Hebron zum König ausrufen (2Sam 15,10).2 Er gewann die Unterstützung Ahitofels, des fähigsten Ratgebers Davids, so dass die Verschwörung stark und das Volk bei Absalom immer zahlreicher wurde (2Sam 15,12). David floh mit seinen Dienern und seiner Leibgarde von 600 Mann, die ihm schon seit seiner Zeit in Gat, als er vor Saul auf der Flucht war, folgten (1Sam 27,2; 2Sam 15,18) und Absalom zog mit Ahitofel in Jerusalem ein (2Sam 16,15). In 2Sam 17,1-2 findet sich Ahitofels Vorschlag zur Verfolgung Davids:
1 Und Ahitofel sagte zu Absalom: Lass mich doch zwölftausend Mann auswählen und mich aufmachen und ⟨noch⟩ diese Nacht David nachjagen! 2 Und ich werde über ihn kommen, solange er ⟨noch⟩ müde ist und schlaffe Hände hat, und ihn in Schrecken versetzen. Dann wird das ganze ⟨Kriegs⟩volk, das bei ihm ist, fliehen, und ich werde den König allein erschlagen.
Ahitofel wollte das Überraschungsmoment nutzen, weil David nicht mit einer so schnellen Verfolgung rechnete, und ihn noch in der Nacht nach seiner Flucht überfallen und töten. Dafür waren keine 12.000 Mann notwendig. So viele Männer hätten eine schnelle Verfolgung und einen Überraschungsangriff in der Nacht sogar eher erschwert. Deshalb handelte es sich bei den 12 ÄLäPh mit ziemlicher Sicherheit wie bei Absaloms Ehrengarde um 12 Einheiten à 50, also 600 Mann. Da die Männer Davids im Schlaf überrascht und der König sofort getötet werden sollten, reichte ein gleich großes Heer aus. Nach dem Tod Davids wäre der Kampf sowieso zu Ende gewesen. Auch dass es dem David treu ergebenen Ratgeber Huschai so leicht gelang, Absalom und die Ältesten Israels davon zu überzeugen, dass Ahitofels Vorschlag zu riskant wäre und erst ein größeres Heer gesammelt werden sollte (2Sam 17,7-11), bestätigt die Annahme einer niedrigen Mann-Zahl von 600 Mann.
Entsprechend dem Rat Huschais formierte Absalom ein großes Heer, um David in Mahanajim anzugreifen und lagerte im Land Gilead (2Sam 17,24-26). Doch auch bei David hatten sich weitere Männer gesammelt. David musterte sie und setzte Oberste über 1.000 und über 100 ein (2Sam 18,1). Ich gehe davon aus, dass er bei der Musterung Einheiten zu 50 bildete und diese dann zu größeren Einheiten zu 100 und zu 1.000 zusammenfasste. Diese Struktur wäre mit der seit der Landnahme bis in die Zeit König Sauls vorliegenden identisch (siehe 4.1.3.1 und 9.2.1). Dann bildet er aus den Tausendschaften drei Kampfverbände unter Joab, Abischai und Ittai. Wenn jeder der drei Heerführer nur jeweils zwei Tausendschaften befehligte, ergibt dies ein Heer von 6.000 Mann. Absaloms Heer war mit Sicherheit deutlich größer, da er nach dem Rat Huschais ein übermächtiges Heer sammeln sollte. Davids Heer zog nach Hundertschaften und Tausendschaften geordnet aus und traf in einem Wald auf das Heer Israels, wo dieses aus seiner größeren Zahl kein Kapital schlagen konnte (2Sam 18,4+6). Israels Heer wurde von Davids Männern geschlagen und zerstreute sich. Absalom floh auf seinem Maultier, blieb mit dem Kopf in einem Baum hängen und wurde getötet. Sobald er tot war, rief Joab seine Männer zurück. Insgesamt fielen vom Heer Israels 20 ÄLäPh Mann (2Sam 18,7-9+15-16). Wenn hier mit ÄLäPh „Tausender“ gemeint gewesen wären – also entsprechend der konventionellen Übersetzung 20.000 Mann – wären allein bei dieser Entscheidungsschlacht mehr Israeliten gestorben als bei Sauls Musterung wenige Jahrzehnte vorher insgesamt gezählt wurden (siehe 9.2.1). Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass Einheiten à 50 Mann gemeint waren und „nur“ (20 x 50 =) 1.000 Männer umkamen. Die Verluste waren deshalb so gering, weil Joab die Verfolgung des geschlagenen Heeres nach dem Tod Absaloms abbrach.
Auch bei dem Bericht über den Aufstand Absaloms kommt man somit bei einer Deutung der ÄLäPh als Einheiten zu 50 Mann zu plausiblen Ergebnissen.
1 Vgl. 1Kön 1,5: Auch Adonija ließ später 50 Mann vor seinem Wagen herlaufen, als er seinen Anspruch auf die Nachfolge Davids geltend machte. Absalom und Adonija folgten hier wahrscheinlich einer von Saul begründeten Tradition, der dem noch sehr jungen Kronprinzen Jonathan eine Leibgarde von 50 Mann an die Seite gestellt hatte (siehe 9.2.1).
2 Nach der Lesart des Masoretischen Textes (MT) von 2Sam 15,7 erfragte Absalom am Ende von 40 Jahren vom König die Erlaubnis, nach Hebron zu gehen, wo er dann seinen Aufstand begann. Mit welchem Ereignis diese 40-Jahres-Frist begonnen hat, wird allerdings nicht erwähnt. Das Alter Absaloms kann nicht gemeint sein, da er erst nach Davids Regierungsantritt geboren wurde. Statt „40“ haben einige Manuskripte der LXX und der syrischen Übersetzung „4“ Jahre, was einige deutsche Übersetzungen übernommen haben. Dies würde zu den von Josephus genannten vier Jahren zwischen der Wiederannahme durch David und Absaloms Ausrufung zum König passen (Jüdische Altertümer, S.427, 7. Buch, 9. Kapitel, 1. Abschnitt). Die auf vier Jahre abgeänderte Frist würde dann mit der Wiederannahme Absaloms durch David beginnen, nach der Absalom mit der Anschaffung seines Wagens die Vorbereitung seines Aufstands begann. Die im MT genannten 40 Jahre könnten sich jedoch auf den Sieg Davids über Goliat beziehen, mit dem er seinen Ruhm beim Volk einst begründet hatte. Es ist durchaus denkbar, dass dieses Ereignis im Volk wach blieb und der 40. Jahrestag in Juda, dem Stamm Davids, gefeiert wurde. Wenn David beim Sieg über Goliat etwa 19 Jahre alt war (siehe 9.2.2.3) wäre er 40 Jahre später 59 Jahre alt gewesen und hätte sich in seinem 30. Regierungsjahr befunden. Absalom wäre zu diesem Zeitpunkt etwa 28 Jahre alt gewesen. Nimmt man für seine Flucht nach dem Mord an Amnon, ein Alter von 19 Jahren an, wäre er 24 Jahre alt gewesen, als er seinen Wagen anschaffte und hätte vier Jahre Zeit gehabt, beim Volk für sich zu werben. Damit würden auch die 40 Jahre im MT zu den vier Jahren bei Josephus passen. Absaloms Ausrufung zum König an dem 40. Jahrestag des Sieges über Goliat in seiner Geburtsstadt Hebron, wo auch David zum zweiten Mal zum König gesalbt wurde (2Sam 2,4) und 7 ½ Jahre regierte, hätte einiges an Symbolkraft gehabt. Da es für die im MT genannten 40 Jahre mit dem Bezug auf den Sieg über Goliat eine sinnvolle Deutung gibt, muss kein Abschreibfehler im MT angenommen werden.