Jakob brachte zusammen mit seinen großen Herden weitere Sklaven aus Haran mit. Dies ergibt sich aus 1Mose 32,5-6a:
5 Und er befahl ihnen: So sollt ihr zu meinem Herrn, zu Esau, sagen: So spricht dein Knecht Jakob: Bei Laban habe ich mich als Fremder aufgehalten und bin bis jetzt geblieben; 6 und ich habe Rinder und Esel, Schafe und Knechte und Mägde; …
Da Jakob aber heimlich vor Laban geflohen war und es einer Warnung Gottes an Laban in einem Traum bedurfte, um Jakob vor ihm zu schützen (1Mose 31,24), dürfte er nicht viel mehr Männer bei sich gehabt haben, als er für das Treiben des Viehs und den Transport der Zelte benötigte, vielleicht etwa 50 Männer sowie jeweils gleichviele Frauen und Kinder, zusammen also rund 150 Sklaven. Deshalb war seine Furcht vor Esaus anrückender 400-Mann-Truppe groß (1Mose 32,8). Er traf direkt nach Überquerung des Flusses Jabbok auf Esau. Doch dieser begegnete ihm wider Erwarten freundlich und bot ihm seine Begleitung oder zumindest Begleitschutz durch einen Teil seiner Männer an (1Mose 33,9+12+15). Beides lehnte Jakob ab und kündigte an, dass er ihm langsam folgen und ihn in Seïr besuchen würde (1Mose 33,14). Vorher baute er aber nach dem Abzug Esaus an der Mündung des Jabbok in den Jordan ein Haus und Hürden für die Herden und nannte den Ort Sukkot (siehe Anlage 6a). Dazu zitiere ich 1Mose 33,17+18:
17 Und Jakob brach auf nach Sukkot und baute sich ein Haus, und seinem Vieh machte er Hütten; darum gab er dem Ort den Namen Sukkot.
18 Und Jakob kam wohlbehalten zur Stadt Sichem, die im Land Kanaan ist, als er aus Paddan-Aram kam, und lagerte vor der Stadt.
Aus dieser Versfolge schließen viele Ausleger, dass Jakob nach einer nicht genau definierten Zeit in Sukkot auf direktem Weg nach Sichem weiterzog. Der Zug nach Sichem fand aber erst viel später statt. Denn laut 1Mose 34,1-5 ging Jakobs Tochter Dina nach der Ankunft in Sichem in die Stadt und wurde dort von dem Sohn des Stadtoberhaupts vergewaltigt, während Jakobs Söhne das Vieh auf den Feldern hüteten. Als Jakob in Sukkot eintraf, war Dina jedoch ebenso wie der gleichaltrige Josef erst sechs Jahre alt. Der älteste Sohn Ruben war 12 und Juda 8 ½ Jahre alt. Der Zug nach Sichem fand erst elf Jahre später statt, als Josef und Dina 17 Jahre alt waren. Zwischen Vers 17 und 18 liegen somit 11 Jahre und in diesem Zeitraum müssen die in 1 Mose 38,1-5 und 1Mose 37 berichteten Ereignisse stattgefunden haben. Daraus ergibt sich, dass Jakob schon vor dem Zug nach Sichem bei seinem Vater in Hebron gewesen sein muss (1Mose 37,14). Erst danach wurde nach seinem Zug nach Sichem das Basislager in Sukkot aufgelöst. Das in Vers 18 mit „wohlbehalten“ übersetzte hebräische Wort lautet שָׁלֵם (SchaLeM). Gesenius übersetzt dieses Wort u.a. mit „1. vollständig […] 2. unversehrt, wohlbehalten […]“ und ordnet 1.Mose 33,18 der zweiten Bedeutung zu.1 Dem folgen die meisten deutschen Übersetzungen. Tatsächlich soll aber zum Ausdruck gebracht werden, dass Jakob nun das Basislager in Sukkot aufgibt und erst jetzt vollständig mit seinem ganzen aus Paddan-Aram mitgebrachten Besitz und allen Herden, die bis dahin in Sukkot ihr Winterquartier hatten, nach Sichem zieht.
Elf Jahre zuvor ließ Jakob in Sukkot seine Herden mit den Knechten zurück, und zog nur mit der Familie – also nicht vollständig – östlich des Jordan und des Toten Meeres weiter zum Gebirge Seïr (südlich des Toten Meeres gelegen) zu Esau, wie er es diesem angekündigt hatte (1Mose 33,14). Von dort zog er auf der Westseite des Toten Meeres nach Norden zu seinem Vater Isaak – der, wie sich aus 1Mose 35,27 ergibt, rund 100 km südlich von Sukkot in Hebron wohnte (siehe Anlage 6a). Aus Hebron schickte er dann erst 11 Jahre später Josef nach Sichem und zog nach der Meldung von dessen Tod selbst dorthin (1Mose 37,14; 1Mose 33,18). Da in Hebron nicht genügend Land für die Herden Jakobs war, beließ er sie in Sukkot, während er selbst bei seinem Vater Isaak in Hebron blieb und sein Erbteil verwaltete. Wahrscheinlich schickte er stattdessen weitere Männer zur Verstärkung und einen der altgedienten Knechte seines Vaters als Verwalter nach Sukkot. Erst einige Jahre später, als Jakobs Söhne alt genug waren, schickte er diese dorthin, um mit Unterstützung dieses Verwalters die Verantwortung zu übernehmen. Diese chronologische Einordnung werde ich im nächsten Abschnitt noch detaillierter ausführen und begründen.
Hier zeigt sich jedenfalls, dass die Ereignisse in 1Mose 28 – 42 nicht in chronologischer Reihenfolge berichtet wurden. Einen kurzen Überblick zur zeitlichen Einordnung der Berichte hatte ich schon in Abschnitt 5.3.1 gegeben. Detailliert und mit Angabe der jeweiligen Bibelstellen sind die Ereignisse in ihrer chronologischen Reihenfolge in Anlage 7c dargestellt.