Abschließend wird ein die Ergebnisse der vorausgehenden Abschnitte zusammenfassendes Szenario dargestellt, das alle Angaben über die Kriege Davids gegen Aram in den beiden Parallelberichten (nach dem Masoretischen Text) berücksichtigt und scheinbare Widersprüche ausräumt:

  • Das Heer der Aramäer hatte drei Truppengattungen: Streitwagen, Reiter und Fußvolk.
  • Alle drei Truppengattungen waren in Einheiten zu 100 Mann eingeteilt. Auch die getöteten Feinde werden in den israelischen Kriegsberichten als Einheiten angegeben (vgl. ‎4.3.3) – hier entsprechend der Größe der aramäischen Heereseinheiten in Hunderter-Gruppen.
  • Die Anzahl der Streitwagen- und Reiterabteilungen wird in den Berichten manchmal zusammengefasst und unter der Bezeichnung "Reiter" oder " Reitende" in einer Summe angegeben. Dies ist naheliegend, weil "Wagen fahren" und "reiten" im Bibel-Hebräisch durch dasselbe Verb ausgedrückt wird. Es werden somit Wagen-Reiter und Pferde-Reiter zusammengefasst.
  • Hadad-Eser, der König Zobas, hatte – vermutlich aufgrund seiner 1.000 Streitwagen und seines fähigen Heerführers Schobach – die Oberherrschaft über die übrigen Aramäer-Könige diesseits des Euphrats (2Sam 10,19) und war damit als Hauptgegner Davids an allen drei Schlachten gegen die Israeliten beteiligt.
  • Als Hadad-Eser seine Macht am oberen Euphrat wiederherstellen will (2Sam 8,3), die David durch seinen Feldzug in das Gebiet der Aramäer bedrohte, kommt es zu der ersten im Bibeltext berichteten Auseinandersetzung mit Hadad-Eser. David siegt und nimmt 1.000 Wagenlenker, 700 Reiter sowie 2.000 Mann Fußvolk gefangen. Von den 1.000 Streitwagen werden 900 zerstört und die übrigen wie auch die goldenen Schilde und viel Bronze aus zwei Städten Hadad-Esers als Beute mitgenommen. Ebenso wurden sicher auch die Zugpferde der zerstörten Streitwagen und die Pferde der Reiter – soweit sie nicht beim Transport der Beute Verwendung fanden – getötet oder zumindest kampunfähig gemacht. Die Gefangennahme einer so großen Zahl von Reitern und Wagenlenkern, deutet darauf hin, dass sie in ihrem Lager oder in einer befestigten Stadt überrascht und eingeschlossen wurden. So waren sie besiegt, ehe sie überhaupt aufsteigen konnten.
  • Die Aramäer von Damaskus, die vermutlich Vasallen Hadad-Esers waren, kommen ihm zu Hilfe. Sie treffen aber erst ein, als Hadad-Eser schon besiegt ist. Da sie Davids Heer deshalb ohne Rückhalt durch eine befestigte Stadt allein gegenüberstehen, werden sie vernichtend geschlagen. Es werden 2.200 Mann getötet. David unterwirft ihr Land und setzt Vögte ein. Aram-Damaskus, das an Nord-Israel angrenzt, wird tributpflichtig.
  • Als David schon auf dem Rückweg ist (möglicherweise während der Einsetzung der Vögte in Damaskus), erhält er die Nachricht, dass die Edomiter seine Abwesenheit zu einem Angriff auf Israel nutzen wollen. Er sendet Joab und Abischai mit einem Teil des Heeres voraus. Sie stellen die Edomiter in der Salzschlucht. Abischai führt den Angriff und schlägt sie. Laut 2Sam 8,13 und 1Chr 18,12 kommen dabei 18 ÄLäPh der Edomiter um. Wahrscheinlich teilen sich die Toten in 12 ÄLäPh schwerbewaffnete Kämpfer und 6 ÄLäPh Hilfstruppen (z.B. Bogenschützen) oder Trossknechte auf. Dies würde die abweichende Zahlenangabe von 12 ÄLäPh in Ps 60,2 erklären. Bei den Edomitern ist nicht sicher, ob es sich bei der Angabe um Einheiten zu 100 Mann wie bei den Aramäern oder zu 50 Mann wie bei den Israeliten handelt. Aufgrund der bei den Midianitern und Amalekitern (Ri 6,33) – die beide wie die Edomiter von Abraham abstammten – in der Zeit Gideons vorliegenden Einteilung des Heeres in חֲמֻשִׁים (ChaMuSchIM), d.h. Heereseinheiten à 50 Mann (Ri 7,11; siehe ‎4.5.1), und des räumlichen Abstands ihres Siedlungsgebietes zu dem der Aramäer, halte ich 50 Mann für wahrscheinlicher. Es werden also wahrscheinlich 900 (alternativ: 1.800) Edomiter getötet. Den Ruhm für alle Siege auf diesem Feldzug erntet David („er machte sich einen Namen“). Auch Edom wird unterworfen und es werden Vögte eingesetzt (2Sam 8,13-14).
  • Wenig später stirbt der König der Ammoniter. Sein Nachfolger Chanun schändet die Gesandten Davids und fürchtet nun dessen Rache. Er versucht daher mit 1.000 כִּכָּר (KiKaR, Talente) Silber die Aramäer als Unterstützung anzuwerben. Sie versprechen ihm dafür 32 Kampfeinheiten, d.h. 3.200 Mann sowie die Männer von Aram Maacha zu senden. Chanun erhofft sich vor allem Unterstützung durch Streitwagen- und Reitereinheiten, da er selbst wohl nur über Fußsoldaten verfügt. Da Hadad-Eser selbst keine Streitwagen mehr hat und die Truppen aus Aram-Naharajim (das Aram der zwei Ströme jenseits des oberen Euphrat) nicht rechtzeitig eintreffen würden, werden aber tatsächlich nur 3.200 Mann Fußvolk von Zoba und Tob sowie 100 Mann von Maacha geschickt.
  • Als Joab mit einem Heer von geschätzt 4.000 oder 5.000 Mann die Ammoniter vor Medeba1 angreift, fallen ihm die Aramäer mit 3.300 Mann in den Rücken. Während Abischai die Ammoniter in Schach hält, wendet sich Joab mit einem Teil des Heeres gegen die Aramäer und schlägt sie in die Flucht, wobei diese aber wohl keine großen Verluste erleiden. Die Ammoniter fliehen daraufhin in ihre Stadt.
  • Die Aramäer sammeln sich etwas weiter nördlich bei Helam2 und Hadad-Eser ruft Streitwagen- und Reiterabteilungen der Aramäer von jenseits des Euphrat und wahrscheinlich weitere Fußsoldaten aus der näheren Umgebung für die große Entscheidungsschlacht herbei. Das vereinigte Heer unter Schobach, dem Heerführer Hadad-Esers, schätze ich ausgehend vom ursprünglichen Aramäer-Heer vor Medeba und den Zahlen der bei der folgenden Schlacht Getöteten auf etwa 5.000 Fußsoldaten, 1.000 Streitwagen und 1.200 Reiter.
  • Als dies David berichtet wird, bietet er ganz Israel auf (es ist eine Größenordnung von rund 15.000 Mann denkbar, die kurzfristig mobilisiert werden können) und stellt sich in Helam zur Schlacht. Er erringt einen vernichtenden Sieg und tötet 700 Streitwagenlenker sowie weitere 4.000 Kämpfer, davon geschätzte 3.200 Mann Fußvolk und 800 Reiter. Auch Schobach, der Heerführer Hadad-Esers, fällt. Die übrigen Aramäer fliehen. Zur Ausschaltung der aus Gewichtsgründen wahrscheinlich weniger gut gepanzerten Reiter und Streitwagenlenker könnten auf Seiten Israels Bogenschützen zum Einsatz gekommen sein.
  • Nach dieser Niederlage und dem Tod Schobachs sagen sich die übrigen Aramäer-Könige von Hadad-Eser los. Sie schließen Frieden mit Israel und unterwerfen sich David.

Mit diesem Szenario habe ich gezeigt, dass sich aus den Parallelberichten über die Aramäer-Kriege Davids ein widerspruchsfreies Gesamtbild ermitteln lässt, wenn man den Begriff ÄLäPh in 15 Fällen als „Einheit à 100 Mann“ übersetzt – neben zwei Vorkommen mit der Bedeutung „(Ein)Tausend“. Abschreibfehler oder sonstige Irrtümer im Überlieferungsprozess der ursprünglichen Konsonantentexte müssen dafür nicht angenommen werden – lediglich zwei schon in den ursprünglichen Texten enthaltene geringfügige Irrtümer, die sich aber aus dem Kontext korrigieren lassen. Dass sich beide Paralleltexte damit widerspruchsfrei ergänzen, ist ein starkes Indiz für die Authentizität der darin enthaltenen Geschichtsschreibung und eine Niederschrift durch Zeitzeugen.

  • 1 Medeba lag an der Grenze des Landes Ammon zu Israel etwa 20 km östlich vom Nordende des Toten Meeres (vgl. William Schlegel: Satellite Bible Atlas, S. 73 Map 5-5).

    2 Helam lag etwa 56 km östlich des Sees Gennesaret (vgl. NeÜ, Fußnote 4 zu 1Sam 10,16). In dieser Gegend lag auch das Königreich Tob (vgl. William Schlegel: Satellite Bible Atlas, S. 73 Map 5-5).