In diesem Bericht fällt auf, dass auch die im Kampf gefallenen Soldaten in ÄLäPh (50er-Einheiten) angegeben werden. Es ist kaum anzunehmen, dass bei den durch die Steinschleuderer beim ersten Angriff getöteten 22 ÄLäPh Israeliten von 22 Einheiten alle Männer getötet wurden und von allen anderen Einheiten kein einziger. Genauso werden bei den Benjaminitern in der Entscheidungsschlacht nicht von 18 Einheiten alle Männer gefallen sein, während die übrigen Einheiten zunächst ohne Verluste fliehen konnten. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Angabe in ÄLäPh (50er-Gruppen) auch bei im Kampf gefallenen Soldaten üblich war, so wie im deutschen Sprachraum früher größere Zahlen auch in Dutzenden (12er-Gruppen) angegeben wurden. Dagegen werden die in der Stadt getöteten 100 Männer als ganze Zahl angegeben. In Ri 20,35 werden die auf dem Schlachtfeld getöteten 25 ÄLäPh (1.250 Mann) und die in der Stadt getöteten 100 Männer nebeneinander genannt. Diese Art Zahlen auszudrücken, hört sich für uns heute befremdlich an, ist für die damalige Zeit aber durchaus denkbar. Die Kenntnis dieser Denkweise ist für das Verständnis des nachfolgenden Abschnitts über die Eroberung Ais wichtig.
Wie viele von den 700 Kämpfern Gibeas Kanaaniter waren, kann nur geschätzt werden. Mindestens 100 Mann waren auf jeden Fall Einwohner Gibeas, denn so viele blieben bei der Verfolgung von Israels zum Schein fliehenden Heer als Schutz in der Stadt zurück und boten den 500 Angreifern des Hinterhalts Israels einen harten Kampf, da sie ihre Familien verteidigten (Ri 20,33-34). Bei 100 Wehrfähigen hätte die Stadt etwa (100 x 1,5 x 2 =) 300 Einwohner gehabt. Zusammen mit den oben hochgerechneten 1.625 Wehrfähigen der übrigen Städte Benjamins hätten sich 1.725 Mann ergeben, was gegenüber den 1.600 beim zweiten Zensus einer Steigerung um (125 x 100 ÷ 1.600 =) 8 % entspricht. Dieser Wert liegt nur geringfügig über der in abschnitt 4.3.1 errechneten Steigerung bei den Kämpfern der übrigen Stämme von 5 %. Der Anteil Gibeas an den Wehrfähigen Benjamins beträgt dann (100 x 100 ÷ 1.725 =) 6 %. Für verschiedene Annahmen zur Zahl der Wehrfähigen Gibeas ergeben sich folgende Werte:
Gibea |
Wehrfähige Benjamins |
|||
Einwohner (Wehrf. x 1,5 x 2 =) |
Anzahl Wehrfähige |
Anteil an Wehrfähigen Benjamins |
Anzahl |
Wachstum seit zweitem Zensus |
300 |
100 |
6 % |
1.725 |
8 % |
600 |
200 |
11 % |
1.825 |
14 % |
900 |
300 |
16 % |
1.925 |
20 % |
1.200 |
400 |
20 % |
2.025 |
27 % |
Schon bei 200 Wehrfähigen ergeben sich m.E. sowohl bei der Einwohnerzahl Gibeas mit 600 Menschen als auch einem Anteil von 11 % an allen Wehrfähigen Benjamins1 und dem Wachstum der Wehrfähigen Benjamins um 14 % seit dem zweiten Zensus recht hohe Werte. Ich gehe daher davon aus, dass Gibea höchstens 200 Wehrfähige hatte. Bei dieser Annahme waren mindestens 500 Kanaaniter neben insgesamt (1.300 + 200 =) 1.500 Benjaminitern am Kampf beteiligt (bei insgesamt 1.825 Wehrfähigen). Von den Kanaanitern hätten nur 50 überlebt. Dies kann daran liegen, dass die Steinschleuderer für den Nahkampf auf freiem Feld schlechter ausgerüstet waren. Da die übrigen Israeliten jedoch Hinterhalte gelegt hatten, kamen sie von allen Seiten über die Benjaminiter und ihre Verbündeten, so dass auch die Steinschleuderer in den Nahkampf verwickelt wurden. Von den Einwohnern Gibeas fielen schon 100 Mann bei der Eroberung der Stadt. Für die übrigen gilt bezüglich der Bewaffnung dasselbe wie für die Kanaaniter. Es dürfte der größte Teil gefallen sein. Da die gefallenen Steinschleuderer mitten zwischen den getöteten übrigen Kämpfern lagen, wird bei der Zählung der im Kampf Gefallenen nicht mehr zwischen den beiden Gruppen unterschieden und es werden für alle 50er-Gruppen angegeben.
Damit ist bestätigt, dass auch die Zahlen in Ri 20 mit der bisher angenommenen Größenordnung ein konsistentes Bild ergeben. Man muss lediglich berücksichtigen, dass mit ÄLäPh hier Einheiten mit einer Größe von 50 Mann gemeint sind und die ÄLäPh-Angaben in dem uns heute vorliegenden Grundtext in diesem Sinne übersetzen. Ein Eingriff durch einen späteren Revisor muss nicht angenommen werden. Aus den in diesem Bericht gewonnenen neuen Erkenntnissen ergeben sich folgende Thesen:
- Auch gefallene Männer werden in 50er-Gruppen gezählt und
- Männer, die nicht in Kampfeinheiten zu 50 Mann kämpfen – nämlich Besatzungstruppen in Städten und Männer mit Distanzwaffen – werden nicht in 50er-Einheiten angeben, sondern neben den 50er-Einheiten der Kampftruppen in normalen Zahlen angegeben.
Damit kehren wir nun zurück in die Zeit der Landnahme und wenden uns dem Bericht über die Eroberung Ais zu, wo diese Erkenntnisse benötigt werden.
1 Benjamin werden bei der Landverteilung 26 Städte zugewiesen (Jos 18,21-28). Auch wenn davon vier den verbündeten Kanaanitern gehörten (Jos 9,17) und drei weitere an die Leviten abzutreten waren (Jos 21,17-18: die vierte genannte Stadt ist die Kanaaniter-Stadt Gibeon) bleiben 19 Städte übrig. Einen Anteil der Stadt Gibea von mehr als 11 % halte ich deshalb für zu hoch.