Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt heute in vielen Ländern zwischen 70 und 80 Jahren oder gar darüber. In Deutschland liegen die Hochrechnungen Stand 2019/21 bei Frauen bei 83,4 und bei Männern bei 78,5 Jahren (siehe ‎5.2.2.1). Beim Volk Israel lag wohl schon die Altersgrenze für Arbeitsleben und Heeresdienst bei 70 bis 80 Jahren (siehe ‎5.2.2.2). Bei guten gesundheitlichen Rahmenbedingungen sowie Altersangaben von 110 bis über 130 Jahren, kann für die Zeit in Ägypten ein noch höheres durchschnittliches Lebensalter angenommen werden als bei uns heute. Wie in Abschnitt ‎5.2.2.3 begründet gehe ich von einem Höchstalter von 125 Jahren aus, das nur in Einzelfällen überschritten wurde. Um nicht nur irgendein Durchschnittsalter aus der Luft zu greifen, versuche ich im Folgenden eine mögliche durchschnittliche Sterbefallverteilung über die gesamte Altersspanne von 1 bis 125 Jahren festzulegen, aus der sich dann ein besser fundiertes durchschnittliches Lebensalter ergibt.

Eine solche Sterbetabelle ist Voraussetzung für eine detaillierte Berechnung der Populationsentwicklung der Israeliten in Ägypten ebenso wie für die Ermittlung einer Altersstruktur zum Zeitpunkt des Exodus, die notwendig ist für einen Vergleich der Wehrfähigen (20- bis 75-Jährige Männer) mit den Erstgeborenen bzw. den Leviten (Angabe aller Männlichen ab einem Monat und älter). Eine zwingende Anforderung an diese Sterbetabelle ist, dass sie zusammen mit den in den folgenden Abschnitten ermittelten Rahmenbedingungen bei der Geburtenentwicklung für den Zeitpunkt des Exodus zu den in Abschnitt 3.1.2.1 ermittelten 27.500 Männern im Alter von 20 bis 75 Jahren führt. Um diese Anforderung zu erfüllen, musste ich sehr viele Testberechnungen mit den in dern Abschnitten ‎‎5.6.3 und 5.6.4 beschriebenen Berechnungstools mit unterschiedlichen Sterbefallverteilungen durchführen, bis sich eine passende Verteilung ergab.

Für die Schätzung der Sterbefallverteilung bei den Israeliten in Ägypten habe ich die aktuell für Deutschland geltenden Werte1 als Vergleich herangezogen und entsprechend den in Abschnitt 5.2.3ff geschilderten für damals angenommenen Bedingungen modifiziert. Diese aktuellen Werte für Deutschland sind für die Jahrgänge von 1 bis 65 Jahren in Altersgruppen von je fünf Jahren zusammengefasst in Anlage 8a, Tab. 9a dargestellt. Pro Altersgruppe ist eine geschätzte Sterberate für die Israeliten in Ägypten gegenübergestellt. Danach starben in Deutschland im ersten Lebensjahr nur 0,33 % der Lebendgeborenen, in den folgenden vier Jahren insgesamt 0,06 % der Lebendgeborenen. Für Israel beim Exodus habe ich für diese Altersgruppen mit 1,9 % und 0,35 % jeweils mehr als fünfmal so hohe Werte angesetzt, da bei Säuglingen und Kleinkindern heute deutlich andere Rahmenbedingungen vorliegen. Einerseits führen pränatale Diagnostik und Abtreibung bei vermuteter Behinderung, Brutkästen für Frühgeborene sowie gut ausgestattete gynäkologische Stationen und Kinderkliniken zu einer niedrigeren Sterberate bei den Neugeborenen. Andererseits kann man annehmen, dass vor 3.500 Jahren das Erbgut der Menschen noch nicht im gleichen Maß degeneriert war wie heute und deshalb weniger genetisch bedingte Krankheiten oder Behinderungen vorlagen, so dass keine noch höhere Sterberate bei Neugeborenen angenommen werden muss. Jedenfalls weist die Zählung der Erstgeborenen und Leviten erst ab einem Monat und älter (4Mose 3,15+40) darauf hin, dass damals im ersten Lebensmonat – wie bei uns heute – noch ein etwas höheres Sterberisiko bestand als in den folgenden Monaten.

Auch bei den weiteren Altersgruppen bis 15 Jahre – und in geringerem Maß auch bei den über 15- bis 20-Jährigen – habe ich wegen den damals nicht vorhandenen Impfmöglichkeiten höhere Werte angenommen als bei uns heute, so dass bis zum 20. Lebensjahr bei den Israeliten 2,7 % der ursprünglich Geborenen verstorben gewesen wären, während es heute in Deutschland nur 0,59 % sind. Bei den Altersgruppen über 20 bis 65 Jahren habe ich dagegen bei den Israeliten geringere Sterberaten als bei uns heute angenommen. Damit habe ich den in den Abschnitten ‎5.2.3 bis ‎5.2.3.3 dargestellten gesundheitlichen Rahmenbedingungen, dem damals höheren Höchstalter von etwa 125 Jahren und dem in Abschnitt 5.2.2.3 begründeten durchschnittlichen Ruhestandsbeginn mit 75 Jahren Rechnung getragen. Die Prozentwerte je Altersgruppe habe ich kumuliert. Daraus ergibt sich beim Alter 65 für Israel ein Anteil von 9,5 % Verstorbene, im Vergleich dazu für Deutschland heute von 12,27 %.

Die Sterbefallverteilung für das Volk Israel in Ägypten ist in Anlage 8b, Tab. 9b in der grau unterlegten Spalte in Fünf-Jahres-Schritten dargestellt und bis zum Alter 125 fortgeführt. Bei dieser Sterbefallverteilung der Israeliten zum Zeitpunkt des Exodus – eine Häufung der Todesfälle nehme ich im Alter zwischen 85 und 105 Jahren an, nur 1% erreichte ein Lebensalter über 120 Jahren – ergibt sich für Israel ein durchschnittliches Lebensalter von ca. 87,8 Jahren (siehe Anlage 8b, Tab. 9b, unten). Mit diesen Werten komme ich bei den weiteren Berechnungen auf 27.500 wehrfähige Männer im Alter von 20 bis 75 Jahren zum Zeitpunkt des Exodus. Selbstverständlich ist die von mir vorgeschlagene Sterbetabelle nicht die einzig denkbare, die zu diesem Ergebnis führt. Im Detail kann die Sterbeverteilung deshalb anders ausgesehen haben. Für das hier verfolgte Ziel, eine mögliche Bevölkerungsentwicklung aufzuzeigen, die zu 27.500 Wehrfähigen führt, reicht mein Vorschlag jedoch aus. In Abschnitt ‎7.6 werden ergänzend von Dr. Rainer Facius durchgeführte wesentlich detailliertere Vergleichsrechnungen – auch solche mit zugrunde gelegten Sterbetabellen mit höheren Werten bei der frühkindlichen Sterblichkeit – vorgestellt, die ebenfalls zu 27.500 Wehrfähigen führen.

Für Frauen gibt es während des Ägyptenaufenthalts keine Altersangaben. In einem Fall lässt sich allerdings das Sterbealter aus den Kontextangaben etwa abschätzen. Hierbei handelt es sich um Miriam, die beim Exodus noch lebende Schwester Moses. Bei ihr ergibt sich aus dem Kontext ein um nur wenige Jahre höheres Sterbealter als bei ihren Brüdern (siehe 5.2.1). Da dieser geringe Unterschied keine Auswirkung auf die Bevölkerungsentwicklung insgesamt hat, kann vereinfachend von einer ungefähr gleichen Lebenserwartung bei Männern und Frauen ausgegangen werden. Deshalb lege ich bei den weiteren Berechnungen die o.g. Sterbetabelle für beide Geschlechter zugrunde.

Wenden wir uns nun dem zweiten für die Bevölkerungsentwicklung wichtigen Thema, der Geburtenentwicklung, zu.

  • 1 Zur Ermittlung der Sterbefallverteilung habe ich die aus der Genesis-Datenbank des Statistischen Bundesamtes erhobenen Daten der „Lebendgeborenen in Deutschland“ der Jahrgänge 1953 bis 2017 (65 Jahrgänge) und der „Gestorbenen 2017 nach Altersjahren“ erhoben. Diese beiden Werte habe ich zueinander ins Verhältnis gesetzt und die Ergebnisse zu Altersgruppen von je fünf Jahren zusammengefasst. Detaillierte Quellenangaben, Ursprungsdaten und Ergebnisse für die Sterbefallverteilung in Deutschland sind in Anlage 8a, Tab. 9a dargestellt.