Zur Frage, ob auch die über 20-jährigen Frauen zum Tod in der Wüste verurteilt wurden, soll kurz die Vorgeschichte dieses Urteils beleuchtet werden. Als die Israeliten vom Sinai aufbrachen, zogen sie zur Grenze des Landes Kanaan, um dieses zu erobern. Vorher wurden jedoch zwölf Kundschafter – aus jedem der zwölf Stämme einer – ausgesandt, um das Land zu erkunden. Diese schilderten zwar ein Land, das von Milch und Honig überfließt und brachten Kostproben von den prächtig aussehenden Früchten des Landes mit. Gleichzeitig berichteten sie aber auch von befestigten Städten und starken Verteidigern, darunter Riesen (4Mose 13,27-29). Damit entmutigten sie das Volk. Nachfolgend zitiere ich den Bericht über die Reaktion des Volkes (4Mose 14,2-4):
2 Und alle Söhne Israel murrten gegen Mose und gegen Aaron, und die ganze Gemeinde sagte zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wir doch in dieser Wüste gestorben! 3 Wozu bringt uns der HERR in dieses Land? Damit wir durchs Schwert fallen und unsere Frauen und unsere kleinen Kinder zur Beute werden? Wäre es nicht besser für uns, nach Ägypten zurückzukehren? 4 Und sie sagten einer zum andern: Lasst uns ein Haupt ⟨über uns⟩ setzen und nach Ägypten zurückkehren!
Wie in Abschnitt 8.1.1 begründet kann auch hier davon ausgegangen werden, dass mit der „Gemeinde“ und den „Söhnen Israel“, die gegen Mose und Aaron murrten, nur die wehrfähigen Männer gemeint sind. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass von den Männern in der 1. Person („wir“), von Frauen und Kindern aber in der 3. Person gesprochen wird. Auch der Urteilsspruch Jahwes in 4 Mose 14,28-29+31 und der Vollzugsbericht in 5Mose 2,16-18 sprechen für diese Annahme:
4Mose 14,28 Sage zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht der HERR, wenn ich es nicht so mit euch machen werde, wie ihr vor meinen Ohren geredet habt! 29 In dieser Wüste sollen eure Leichen fallen, ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren an und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt. …
31 Und eure kleinen Kinder, von denen ihr gesagt habt, sie werden zur Beute werden, sie will ich hineinbringen, und sie sollen das Land kennenlernen, das ihr verworfen habt. …5Mose 2,16 Und es geschah, als die kriegstüchtigen Männer aus der Mitte des Volkes vollständig weggestorben waren, 17 da redete der HERR zu mir und sprach: 18 Du wirst heute das Gebiet von Moab, von Ar, durchziehen
Gemurrt hatten nur die Gemusterten ab 20 Jahren und auch nur die wurden zum Tod in der Wüste verurteilt. Die Frauen wurden nicht gemustert und somit auch nicht verurteilt. Sie werden zwar auch nicht zusammen mit den Kindern erwähnt, denen der Einzug in das Land verheißen wird, das liegt aber daran, dass ein größerer Teil der Frauen 39 Jahren später schon altersbedingt verstorben sein würde. Auch am Ende der Wüstenwanderung, als die Grenze zum Land Moab überschritten wurde, werden nur die kriegstüchtigen Männer als vollständig verstorben erwähnt. Somit können wir davon ausgehen, dass ein Teil der zum Zeitpunkt des 1. Zensus über 20-jährigen Frauen am Ende der Wüstenwanderung noch lebte und mit in das verheißene Land einzog.
Wegen der Gefallenen beim gescheiterten eigenmächtigen Angriff des Volkes auf Kanaan (4Mose 14,40-45) und der schon vor dem ersten Zensus bei der Amalekiterschlacht und dem Gericht wegen des Goldenen Kalbs umgekommenen ca. 3.950 Wehrfähigen (siehe Anlage 8c, Tab 9c) waren die Frauen schon kurz nach dem Wegzug vom Sinai deutlich in der Überzahl. Von ihnen ist also ein größerer Anteil eines natürlichen Todes gestorben als bei den Männern. Ich gehe außerdem davon aus, dass bei den Gräbern der Gier und dem Schlangengericht bei den Frauen ein ähnlich großer prozentualer Anteil umkam wie bei den Männern, da sie ebenfalls mit dem Fleischmangel und dem Manna unzufrieden waren. Da es mehr Frauen gab, dürften daher bei diesen beiden Gerichten absolut gesehen mehr Frauen als Männer umgekommen sein. Ich schätze deshalb die Zahl der beim zweiten Zensus noch lebenden Frauen über 60 Jahren bei den zwölf Stämmen entsprechend der angenommenen Sterbefallverteilung in Anlage 8b, Tab. 9b und unter Berücksichtigung der vielen unnatürlichen Todesfälle durch die Gerichte nur auf etwa 2.600.