9.3.5.2 Die Zahl der beim dritten Krieg gefallenen Aramäer

Laut 2Sam 10,18 töteten die Israeliten 700 Streitwagen-Lenker – was den 7 ÄLäPh (= Einheiten zu je 100) Streitwagen im Parallelbericht in 1Chr 19,18 entspricht (siehe 9.3.2) – und weitere 40 ÄLäPh. Im Vergleich mit der Größenordnung der übrigen Zahlenangaben bei den Aramäerkriegen, die sich nach Neubewertung alle maximal im niedrigen Tausender-Bereich bewegen, wären 40.000 getötete Männer weit überhöht. Es kann daher auch hier von 100er-Einheiten ausgegangen werden, also von (40 x 100 =) 4.000 Getöteten. Die übrigen flohen. Das Problem ist nun, dass die 4.000 Getöteten in einem Bericht als Reiter (2Sam 10,18: פָּרָשׁ PaRaSch) und im anderen als Männer zu Fuß (1Chr 19,18: אִישׁ רַגְלִי I°Sch RaGLI) bezeichnet werden. Wenn man annimmt, dass die in beiden Berichten übereinstimmende Zahl 4.000 eine reale Grundlage hatte, z.B. eine Verkündung durch die Heeresleitung nach Zählung der toten Feinde, gibt es vier Deutungsmöglichkeiten:

• Es gab nur getötete Reiter. Dann wäre 2Sam 10,18 korrekt und 1Chr 19,18 fehlerhaft.
• Es gab nur getötetes Fußvolk. Dann wäre 1Chr 19,18 korrekt und 2Sam 10,18 fehlerhaft.
• Es gab 4.000 getötete Reiter und 4.000 getötete Fußsoldaten. In diesem Fall sind zwar die Aussagen in beiden Stellen korrekt, aber die Toten der jeweils anderen Truppengattung werden in beiden Berichten unterschlagen.
• Die Zahl 4.000 ist die Summe der getöteten Reiter und Fußsoldaten. Es erfolgte keine differenzierte Zählung, da die wahrscheinlich durch Bogenschützen von ihren Pferden geschossenen Reiter zwischen den toten Fußsoldaten lagen (die getöteten Streitwagenlenker lagen dagegen in ihren Streitwagen). Hier sind beide Stellen nicht völlig falsch, aber auch nicht vollständig korrekt. Beide tragen aber zur Ermittlung der Wahrheit bei, nämlich: „Es waren Reiter und Fußkämpfer in den insgesamt 4.000 Toten enthalten.“

An der Entscheidungsschlacht waren neben den in beiden Berichten genannten Streitwagen wohl Fußsoldaten und Reiter beteiligt. Von Aram-Naharajim waren ursprünglich für die Unterstützung der Ammoniter Streitwagen und Reiter angefordert worden (1Chr 19,6), aber nicht rechtzeitig eingetroffen. Es ist daher naheliegend, dass auf die erneute Anforderung durch Hadad-Eser (2Sam 10,16) nun beide Truppengattungen geschickt wurden. Fußsoldaten, die bei der Unterstützung der Ammoniter zurückgeschlagen wurden und sich anschließend wieder sammelten, werden ausdrücklich erwähnt (2Sam 10,6+13+15). Die ersten beiden Deutungsmöglichkeiten können daher ausgeschlossen werden. Beim ersten Krieg wurden 1.000 Streitwagen, 700 Reiter und 2.000 Fußsoldaten erwähnt. Wenn man aus diesen Angaben auf die Anteile der einzelnen Truppengattungen und die ungefähre Größenordnung des gesamten Heeres im dritten Krieg schließt, sind gleichviel getötete Reiter und Fußsoldaten ebenso unwahrscheinlich wie insgesamt 8.000 getötete Männer, so dass auch die dritte Variante ausscheidet. Somit bleibt die vierte Variante mit Deutung der Zahl 4.000 als Summe der getöteten Reiter und Fußsoldaten als einzig plausible Lösung übrig. Ich schätze die Heeresgröße der Aramäer ausgehend von den geflohenen Fußsoldaten beim zweiten Krieg und den genannten Opferzahlen beim dritten Krieg auf etwa 5.000 Fußkämpfer, 1.000 Streitwagen und 1.200 Reiter. Von den angegebenen 4.000 Toten könnten etwa 800 auf die Reiter und 3.200 auf die Fußsoldaten entfallen sein. David hätte bei geschätzt etwa 15.000 Männern eine mehr als doppelt so große Anzahl von Kämpfern gehabt.

Wenn die Zahl 4.000 entsprechend der vierten Variante die Summe der getöteten Reiter und Fußsoldaten war, stellt sich die Frage, wie es zu dem Fehler in den beiden Berichten kam. Aufgrund der nicht ganz korrekten Darstellung in beiden Berichten kommt ein Abschreibfehler als Erklärung nicht in Frage. Nimmt man aber wie in Abschnitt ‎9.3 dargestellt an, dass die beiden Chronisten ihre Informationen von zwei verschiedenen Augenzeugen der Schlacht erhielten, sind Missverständnisse zwischen den Augenzeugen und den Chronisten denkbar. Die nachfolgenden Augenzeugenberichte könnten den heute vorliegenden Texten zugrunde gelegen haben:

Bei den vorgeschlagenen Augenzeugenberichten handelt es sich natürlich nur um mögliche Beispiele, die zeigen sollen, wie bei dem gleichen zugrundliegenden Geschehen fast gegensätzliche Ergebnisse entstehen können, obwohl beide Zeugen nach bestem Wissen und Gewissen korrekte Aussagen gemacht haben. Verschärft wird das Problem noch, wenn man versucht, aus einem (vielleicht sogar schriftlich) erhaltenen längeren Bericht einen möglichst kurz zusammengefassten Eintrag in ein Protokoll oder eine Chronik zu erstellen. Wie oben dargestellt, lässt sich aber das tatsächliche Geschehen aus den insgesamt vorliegenden Informationen ermitteln, wobei allerdings offenbleibt, wie viele der 4.000 Toten auf die Reiter und wie viele auf die Fußsoldaten entfielen. Dies wussten die beiden Augenzeugen wahrscheinlich selbst nicht. Diese Informationslücke kann aber durch eine fundierte Schätzung gefüllt werden. Eine weitere Informationslücke besteht bei der Anzahl der getöteten israelitischen Soldaten. Hier hat die Heeresleitung wohl keine Zahlen veröffentlicht. Wenn es auch bei Israel eine zwar niedrigere aber trotzdem nicht ganz geringe Zahl von Gefallenen gab, wovon auszugehen ist, können wir uns die Gründe für diese Unterlassung leicht vorstellen.