An dieser Stelle kann nun auch eine Aussage zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppen in Ägypten gemacht werden. Aus dem AT-Text ergibt sich, dass diese Gruppen eine Größe von 50 Mann hatten (siehe 3.1.1.1). Vergleichen wir zunächst die Mann-Zahlen am Ende des 180. Jahres in Ägypten mit denen am Ende des folgenden Fünf-Jahreszeitraums. Laut Anlage 11, Tab. 12 (Spalte kumuliert, 7. und 8. Zeile von unten, gelb gekennzeichnet) sind die Bevölkerungszahlen der zwölf Stämme in dieser Zeit innerhalb von 5 Jahren von 39.348 auf 46.135 Personen gestiegen. Aus 39.348 Personen errechnen sich (÷ 2 ÷ 2,18 =) 9.025 Männer von 20 bis 75 Jahren. Zuzüglich (9.025 ÷ 11 =) 820 Leviten und 1.500 Sklaven ergeben sich am Ende des 180. Jahres rund 11.350 Männer in 227 Arbeitsgruppen. Fünf Jahre später bestanden die Arbeitsgruppen aus (46.135 ÷ 2 ÷ 2,18 =) 10.581 Männern bei den zwölf Stämmen und (10.581 ÷ 11 =) 962 Leviten sowie weiterhin 1.500 Sklaven, am Ende des 185. Jahres also aus insgesamt rund 13.050 Männern in 261 Arbeitsgruppen. Die Anzahl der Arbeitsgruppen war also in nur fünf Jahren um 34 angestiegen.
Es hätten somit jedes Jahr neben der Ersetzung der aus den bisherigen Arbeitsgruppen ausgeschiedenen Alten im Schnitt 6,8 zusätzliche Arbeitsgruppen gegründet worden sein müssen. Eine Bildung von Arbeitsgruppen, die nur aus unerfahrenen 20-Jährigen bestanden, wäre aber nicht sinnvoll gewesen. Nachfolgend möchte ich deshalb ein Szenario aufstellen, das eine mögliche Vorgehensweise bei der Integration der nachrückenden jüngeren Generation in diese Arbeitsgruppen aufzeigt.
In Abschnitt 4.1.5 habe ich aufgezeigt, dass das Wort רֹאשׁ (Ro°Sch, häufigste Übersetzung „Oberhaupt“, „Haupt-“) im Plural an neun Stellen üblicherweise mit „Abteilungen“ übersetzt wird. Für den Singular dieses Wortes habe ich an acht Stellen, die üblicherweise mit „Summe“ übersetzt werden, mit „Abteilungszahl“ eine besser zur Grundbedeutung von רֹאשׁ (Ro°Sch) passende Übersetzung vorgeschlagen, so auch für das Vorkommen in 4Mose 1,2:
2 Nehmt die Summe [hebr.: רֹאשׁ (Ro°Sch), Übersetzungsvorschlag M.K.: Abteilungszahl] der ganzen Gemeinde der Söhne Israel auf nach ihren Sippen, nach ihren Vaterhäusern, nach der Zahl der Namen, alles Männliche nach ihren Köpfen!
Übersetzt man רֹאשׁ (Ro°Sch) hier mit Abteilungszahl, so ergibt sich ein synonymer Gebrauch zu dem Wort ÄLäPh im Sinne von „Einheit, Gruppe“. Zunächst sollte danach die Anzahl der Abteilungen, mit denen wohl die Zahl der bestehenden Arbeitsgruppen aus Ägypten gemeint war, ermittelt werden und dann je Abteilung die Kopfzahl entsprechend den Sippen und Vaterhäusern der Israeliten. Schließlich wurden Namenslisten angelegt (4Mose 1,18). Dies lässt den Schluss zu, dass diese Arbeitsgruppen, die beim ersten Zensus in Heereseinheiten umgewandelt wurden, der Sippenstruktur folgten. Wie in 4Mose 3,17-18+21+24 am Beispiel Levi erkennbar ist, war jeder Stamm in dieser Zeit in so viele Vaterhäuser aufgeteilt, wie der Stammvater Söhne hatte. Jedes Vaterhaus war wiederum entsprechend der Anzahl der Söhne seines Begründers in Sippen aufgeteilt (detaillierte Begründung siehe 7.3.4.4). Die Mitglieder einer Sippe wären dann nicht wahllos auf alle Arbeitsgruppen ihres Stammes verteilt gewesen, sondern nur auf so viele wie es ihrer Anzahl entsprach. Da aber die Mann-Zahl einer Sippe selten genau 50 oder ein Vielfaches davon betrug, kann es auch vorgekommen sein, dass eine 40 Mann starke Sippe auf zwei Gruppen aufgeteilt wurde, um zwei unvollständige Gruppen anderer Sippen aufzufüllen. Durch die Ordnung nach Sippen und nicht nach Jahrgängen, war eine Mischung von erfahrenen und unerfahrenen Gruppenmitgliedern sowie eine gesunde Altersstruktur mit noch sehr kräftigen und schon weniger kräftigen Arbeitern sichergestellt. Außerdem waren ein Verantwortungsgefühl füreinander sowie eine Autoritätsstruktur (eine Art „Hackordnung“) vorhanden. In diesen Gruppen waren bei jeder Sippe auch die jeweiligen Sklaven dieser Sippe enthalten, die in der Hackordnung ganz unten standen und für die schwersten und unangenehmsten Arbeiten eingeteilt wurden.
Wenn bei der Integration eines jüngeren Jahrgangs, der um ein Vielfaches stärker war als der ausscheidende Jahrgang, neue Gruppen gegründet wurden, mussten deshalb alle Gruppen durch Verschiebung einzelner Familienverbände neu zugeschnitten werden, um die Sippenstruktur beizubehalten. Um das vorgegebene Arbeitssoll zu erreichen – die Nichterreichung hätte die Bestrafung der israelitischen Vorarbeiter zur Folge gehabt (2Mose 5,14) – musste auch bei unterjährigen Todesfällen bei den aktiven Arbeitern die Gruppe möglichst schnell wieder aufgefüllt werden. Dafür konnten jeweils einzelne inzwischen 20 Jahre alt gewordene Männer der gleichen Sippe oder zumindest des gleichen Stammes nachrücken. Bei dem extrem verschärften Arbeitssoll kurz vor dem Auszug war es umso wichtiger, dass die Arbeitsgruppen ihre volle Sollstärke hatten. Somit ist es tatsächlich plausibel, dass alle Gruppen beim Auszug 50 Mann zählten (siehe 3.1.1.1).
Dieses Nachrück-Prinzip konnte aber nach den vielen Todesfällen kurz nach dem Exodus und der Aussortierung der Sklaven aus den nun in Heereseinheiten umgewandelten früheren Arbeitsgruppen nicht aufrechterhalten werden. Hier waren mehrere Jahre nötig, bis die Gruppen durch Nachrücker wieder voll aufgefüllt waren. Aus der Zahlenliste beim ersten Zensus und der Tatsache, dass vor und nach dem ersten Zensus die gleiche Anzahl von 600 Gruppen angegeben wurde (siehe 3.1.3.3) kann man schließen, dass keine Reorganisation der Gruppen erfolgte, sondern diese mit geringerer Ist-Stärke beibehalten wurden. Bei der Amalekiterschlacht bzw. dem Gericht wegen des Goldenen Kalbs umgekommene Anführer, konnten durch den in der Hierarchie der Sippe nächststehenden Mann ersetzt werden.
Dieses Szenario kann natürlich keinen Anspruch auf völlig sichere Übereinstimmung mit der damaligen Wirklichkeit erheben. Aber so ähnlich könnte die damalige Praxis durchaus gewesen sein. Jedenfalls zeigt dieses Szenario, dass bei einer Deutung eines Teils der ÄLäPh im ersten Zensusbericht als Arbeitsgruppen bzw. Militäreinheiten auch in der Praxisanwendung bis ins Detail plausible Deutungen der Geschehensberichte möglich sind.