Als die Ältesten Israels von dem altgewordenen Richter Samuel wegen der Bestechlichkeit seiner Söhne die Einsetzung eines Königs fordern (1Sam 8,1-5), warnt dieser sie, dass ein König von ihren Söhnen und Töchtern Dienst in seinem Heer, auf seinen Feldern und in seinem Haushalt fordern wird (1Sam 8,11-13). Unter anderem wird in 1Sam 8,12 ausdrücklich der Dienst als Oberste über 1.000 und über 50 genannt. Nach der Flucht Davids fragt König Saul seine Knechte, ob David ihnen Äcker oder Weinberge bzw. Stellungen als Oberste über 1.000 oder über 100 versprochen hätte, dass sie sich gegen ihren König verschworen hätten, weil sie ihn nicht über Davids angeblichem Verrat informiert hatten (1Sam 22,6-8). Es wird somit für die Zeit Sauls die gleiche Gliederung des Heeres in Einheiten zu 50, 100 und 1.000 Mann beschrieben wie rund 400 Jahre früher bei der Landnahme (siehe 4.1.3.1).
Kurz nach Sauls Einsetzung als König überfielen die Ammoniter das israelische Gebiet östlich des Jordan und belagerten die Stadt Jabesch in Gilead (etwa 10 km vom Jordan entfernt). Die Einwohner schickten Boten zu Saul nach Gibea und baten um Hilfe, worauf dieser die Männer Israels zusammenrief (1Sam 11,1-7). Das Ergebnis der Musterung Sauls wird in 1Sam 11,8 beschrieben:
8 Und er musterte sie bei Besek; und die von den Söhnen Israel waren 300 000 und die Männer von Juda 30 000.
Die Lage Beseks wird im Bergland Manasses etwa 20 km südwestlich von Bet-Schean vermutet, während das bedrohte Jabesch in Gilead etwa 30 km Luftlinie entfernt jenseits des Jordangrabens auf dem Bergland Gileads lag.1 Es traten 300 ÄLäPh von den Söhnen Israels und 30 ÄLäPh von den Männern Judas an. Da Samuel bei der Warnung des Volkes vor der Einsetzung eines Königs nur Oberste über 1.000 und 50 erwähnt (s.o.), ist es naheliegender, dass hier Einheiten zu 50 Mann gemeint sind. Dann ergeben sich (300 x 50 =) 15.000 Söhne Israels ohne Juda und (30 x 50 =) 1.500 Männer Judas – insgesamt also 16.500 Mann.
Diese Zahlen sind niedriger als die Zahlen bei der Landnahme und während der frühen Richterzeit. So bot Israel inklusive Juda bei der Strafaktion gegen Benjamin 400 ÄLäPh, d.h. 20.000 Mann, auf (Ri 20,1-2, siehe 4.3.1). Dort wird allerdings in Ri 20,1 ausdrücklich erwähnt, dass auch die Männer aus Gilead (d.h. aus dem Ostjordanland) aufgeboten wurden. Saul dürfte nur die Männer aus dem Gebiet westlich des Jordans zusammengerufen haben, da das Ostjordanland teilweise von den Ammonitern besetzt und im Übrigen bedroht war. Die Männer über den Jordan nach Westen zu rufen, wäre in dieser Situation kontraproduktiv gewesen und hätte die Ammoniter außerdem gewarnt. Auch bei Saul dürfte wie bei der Landnahme ein Teil der Männer zum Schutz der Siedlungen und Viehherden zurückgeblieben sein (Jos 22,1+4+8). So ist ein Vergleich mit den Heereszahlen bei der Landnahme möglich. Zieht man bei dem 20.000-Mann-Heer bei der Landnahme die 3.000 Mann von Ruben, Gad und Halb-Manasse, die im Ost-Jordanland siedelten, ab, ergeben sich 17.000 Mann aus den Stämmen des Westjordangebietes (siehe 4.2.1). Nach Abzug von 3.000 aus Juda verbleiben 14.000 Mann bei der Landnahme. Die mit dieser Zahl vergleichbaren Gesamtzahlen der Söhne Israels (ohne Juda) bei Saul von 15.000 Mann sind nur um 1.000 Mann höher.
Für Juda ergibt sich gegenüber den 3.000 Mann bei der Landnahme mit (30 x 50 =) 1.500 Mann bei Saul nur ein halb so großes Heer. Dies könnte daran liegen, dass Teile ihres Gebietes von den in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Philistern und/oder Amalekitern besetzt waren und die unterworfenen Bewohner den Eroberern Heerfolge leisten mussten. Die in 1Sam 14,21 erwähnten Hebräer, die den Philistern Heerfolge leisten mussten, könnten Angehörige des Stammes Juda gewesen sein. Die gegenüber der Landnahme geringere Zahl der Kämpfer Judas ist somit erklärbar.
In 1Chr 5 werden Nachkommen Rubens und Gads, die im Ostjordanland siedelten, aufgeführt. Am Ende der Aufzählung der Nachkommen Rubens wird über einen in den Tagen Sauls geführten Krieg gegen die östlich des Landes Gilead lebenden Hagariter berichtet (1Chr 5,10). Der Bericht wird nach einem Einschub über die Nachkommen Gads in 1Chr 5,18-22 fortgesetzt, was sich mit dem erneuten Hinweis auf die Hagariter in Vers 19 nachweisen lässt. Ich zitiere 1Chr 5,18:
18 Die Söhne Ruben und die Gaditer und der halbe Stamm Manasse, was an tapferen Männern3 da war, Männer, die Schild und Schwert trugen und den Bogen spannten und im Kampf erfahren waren, zählten 44 760 Mann, die mit dem Heer auszogen.
3 w. Söhnen der Kraft
Hier wird die Heeresgröße der östlich des Jordan lebenden zweieinhalb Stämme zur Zeit Sauls angegeben. Aus der Formulierung schließe ich, dass nicht alle Männer auszogen, sondern nur die besonders kampftüchtigen, und die Übrigen zum Schutz der Siedlungen und Herden zurückblieben. Nimmt man auch hier für die 44 ÄLäPh Einheiten à 50 Mann an, so ergeben sich 2.200 Mann. Daneben verwundert die große Zahl von 760 Mann. Hier könnte man annehmen, dass es sich bei den 50er-Einheiten um die Schwertkämpfer handelte und bei den 760 Mann um die Bogenschützen – ähnlich wie bei den Benjaminitern in Ri 20,15-16, wo die 700 Steinschleuderer ebenfalls nicht in 50er-Einheiten, sondern in einer Zahl des Zehnersystems angegeben werden (siehe 4.3.1). Es ergeben sich für die zweieinhalb Stämme östlich des Jordans dann insgesamt 2.960 Mann – nahezu genau so viele wie die 3.000 Mann bei der Landnahme.
Insgesamt war die Anzahl der kampfbereiten Männer am Beginn der Regierungszeit Sauls mit rund 19.500 Mann fast genauso groß wie 400 Jahre früher bei der Landnahme mit 20.000 und ca. 28 Jahre nach der Landnahme bei der Strafaktion gegen Benjamin mit etwa 21.500 (inkl. Benjamin). Das muss aber nicht heißen, dass die Bevölkerungszahl während der ganzen rund 400 Jahre seit der Landnahme durchgehend gleich war. So waren 41 Jahre bevor Saul König wurde, in den Kämpfen, bei denen die Philister die Bundeslade eroberten, zunächst 4 ÄLäPh und am Folgetag weitere 30 ÄLäPh Männer von Israel gefallen (1Sam 4,2+10-11). Hier können nicht 34.000 Gefallene gemeint sein, da sonst an zwei Tagen 1,75-mal so viele Männer gefallen wären, wie bei Sauls Musterung insgesamt antraten. Auch hier wurden wie bei der Strafaktion gegen Benjamin die Getöteten in Zähleinheiten à 50 Mann angegeben, was (34 x 50 =) 1.700 Mann ergibt. An diesen Sieg der Philister schloss sich eine 20-jährige Unterdrückungszeit an, in der die Philister die Israeliten regelmäßig überfielen. Auch dabei dürfte es weitere Tote gegeben haben, ehe nach der Umkehr des Volkes zu Jahwe und Samuels Opfer und Gebet bei der Volksversammlung in Mizpa die Philister durch ein Eingreifen Jahwes geschlagen wurden und danach die Überfälle einstellten (1Sam 7,2+6+9-10+13). Auch während der Unterdrückung durch die Ammoniter im Ostjordanland, die Saul bei seinem ersten Kriegszug schlug, dürften Israeliten umgekommen sein. Man kann also davon ausgehen, dass die Zahl der Wehrfähigen 41 Jahre vor Sauls Einsetzung als König um mindestens zwei- bis dreitausend Mann größer war. Entsprechend dürfte auch bei früheren Unterdrückungszeiten durch Feinde die Bevölkerungszahl gefallen sein, während sie in Ruhezeiten wieder angestiegen ist.
Nach dem Sieg über die Ammoniter (1Sam 11,11) wählte Saul 3 ÄLäPh aus Israel aus, von denen er 2 ÄLäPh bei sich in Michmas und im Bergland von Bethel und 1 ÄLäPh bei seinem Wohnhaus in Gibea in Benjamin stationierte, wo sein Sohn Jonatan lebte. Die übrigen Israeliten entließ er zu ihren Zelten (1Sam 13,2). Da Saul 3.000 Mann am Anfang seiner Regierungszeit gar nicht unterbringen und verköstigen konnte, handelte es sich hier mit Sicherheit auch um drei Einheiten. Zur Ermittlung der Größe dieser Einheiten lassen sich Rückschlüsse aus der Tatsache ziehen, dass er eine der drei Einheiten bei seinem ältesten Sohn Jonatan stationierte. Diese Einheit war wahrscheinlich für dessen Schutz und militärische Ausbildung zuständig, bildete aber auch eine Art Ehrengarde des Kronprinzen. In gleicher Weise umgaben sich auch Davids Söhne Absalom (2Sam15,1) und später Adonija (1Kön 5,1) mit einer solchen Ehrengarde, als sie versuchten sich als Thronfolger zu etablieren. In beiden Fällen ist ausdrücklich erwähnt, dass diese Truppe 50 Mann stark war, also der kleinsten Einheit des israelischen Heeres entsprach (siehe auch 9.4 mit Fußnote 291). Mehr Männer hätten keinen größeren Nutzen gebracht, sondern nur größere Umstände und Kosten bei der Unterhaltung verursacht. Man kann also annehmen, dass auch bei Jonatan, durch dessen Ehrengarde diese Tradition begründet wurde, diese Einheit 50 Mann zählte. Die beiden Einheiten Sauls, die in einer Summe mit der Jonatans (= 3 Einheiten) genannt wurden, waren dann ebenfalls 50 Mann stark.
Zur Überprüfung weiterer großer Zahlen in den Berichten über die Regierungszeit Sauls wird nachfolgend ein kurzer Überblick über diese Zeit gegeben. Gleichzeitig werden auch Überlegungen zur Länge der Regierungsdauer Sauls angestellt, die zusammen mit der Länge der Richterzeit für die chronologische Einordnung des Exodus und der Landnahme von Interesse sind.