Nur bei zwei Söhnen Jakobs werden die Mütter ihrer Söhne namentlich genannt, nämlich bei Josef die ägyptische Priestertochter Asnath und bei Juda seine verwitwete Schwiegertochter Tamar. Josef wurde im Alter von 30 Jahren durch den Pharao verheiratet, als er zum Wesir ernannt wurde (1Mose 41,45-46a). Ich zitiere nachfolgend Vers 45:

45 Und der Pharao gab Josef den Namen Zafenat-Paneach und gab ihm Asenat, die Tochter Potiferas, des Priesters von On13, zur Frau. Dann zog Josef aus über das ⟨ganze⟩ Land Ägypten.

13 ägyptisch An; der alte Name der Stadt Heliopolis, nördlich des heutigen Kairo

Wahrscheinlich wählte der Pharao die Tochter eines sicher einflussreichen Priesters von On, um Josefs Position zu festigen. Juda hatte in sehr jungen Jahren die Tochter eines Kanaaniters, der Schua hieß, geheiratet. Diese gebar ihm drei Söhne. Den ältesten Sohn Er verheiratete Juda ebenfalls schon sehr jung mit Tamar. Deren Abstammung ist nicht ausdrücklich angegeben. Aus den Ortsangaben Adullam (1Mose 38,1-2, etwa 20 km nordwestlich von Hebron gelegen) und Timna (1Mose 38,13, weitere 20 km nordwestlich von Adullam, siehe Karte in Anlage 6a) kann aber geschlossen werden, dass sie ebenfalls in dieser Gegend lebte und demnach Kanaaniterin war. Sie hätte sonst, als sie nach dem Tod ihres ersten Mannes Er und dem Tod seines in Schwagerehe ebenfalls mit ihr verheirateten Bruders Onan wieder bei ihrer Familie lebte, kaum mitbekommen, dass Juda nach Timna zur Schafschur zog und ihn als Prostituierte verkleidet rechtzeitig am Weg erwarten können (1Mose 38,12-14). So konnte sie Juda, der ihr die Schwagerehe mit seinem dritten Sohn verweigerte, überlisten und wurde von ihm selbst schwanger und gebar ihm die Zwillinge Perez und Serach (siehe Anlage 7c, Jahr -15 und -14). Bei Simeon wird erwähnt, dass einer seiner sechs Söhne von einer Kanaaniterin stammte (1Mose 46,10) – möglicherweise eine Nebenfrau aus den Frauen, die Simeon im Alter von 23 Jahren bei dem Massaker an den Männern Sichems versklavte (1Mose 34,25+29).

Die Herkunft der regulären Ehefrau Simeons und der Frauen der übrigen neun Söhne und der Enkel Jakobs ist im Bibeltext nicht ausdrücklich erwähnt. Bei einer nur oberflächlichen Beschäftigung mit den alttestamentlichen Geschichtsberichten könnte man deshalb zu der Annahme kommen, dass über deren Herkunft nur spekuliert werden kann. Untersucht man den Kontext aber genauer, findet man viele Informationen, aus deren Kombination die Herkunft zumindest eines Großteils dieser Ehefrauen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit logisch erschlossen werden kann. Sklavinnen waren nicht standesgemäß (siehe ‎5.5.2.5) und kanaanitische Ehefrauen waren nicht erlaubt, sondern nur Frauen aus der Verwandtschaft Abrahams (1Mose 24,3-4; 1Mose 28,1-2+8). Zu den im 900 km entfernten Haran lebenden Nachkommen von Abrahams Bruder Nahor – aus denen Rebekka, Lea und Rahel stammten – bestand nach dem Zerwürfnis Jakobs mit Laban und dessen Söhnen kein gutes Verhältnis (1Mose 31,1-2). In einem Umkreis von weniger als 100 km von Isaaks und Jakobs Wohnort Hebron lebten die verwandten Völker der Edomiter, Moabiter und Ammoniter. 

Die Moabiter und Ammoniter stammten von den Söhnen von Abrahams Neffen Lot ab, die ihm seine eigenen Töchter gebaren. Moab und Ammon waren gleichaltrig mit Isaak (1Mose 19,36-38). Die elf älteren Söhne Jakobs wurden zwischen seinem 84. und 91. Lebensjahr geboren, Jakob selbst im 60. Lebensjahr Isaaks. Zwischen der Geburt von Moab und Ammon und derjenigen Rubens, des ältesten Sohnes Jakobs, lagen somit 144 Jahre oder etwa fünf normale Generationen. Beide Völker konnten somit schon eine starke Vermehrung erlebt haben und eine große Auswahl an Frauen für die Söhne Jakobs bieten. Die Edomiter stammten von Jakobs Bruder Esau ab. Seine ersten beiden kanaanitischen Ehefrauen nahm dieser im Alter von 40 Jahren (1Mose 26,34). Mit 77 Jahren heiratete er eine Tochter Ismaels (1Mose 28,9). Seine Enkelinnen bzw. Urenkelinnen kamen somit für die Enkel Jakobs als Frauen in Frage. Aus der Kombination der vorstehenden Informationen kann die sichere Schlussfolgerung gezogen werden, dass zumindest der größte Teil der offiziellen Haupt-Ehefrauen der Söhne und Enkel Jakobs aus den verwandten Völkern der Moabiter, Ammoniter und Edomiter stammten. Diese Schlussfolgerung kann durch weitere Kontext-Informationen noch zusätzlich bestätigt werden (siehe unten).

Auffällig ist, dass nicht nur in der Generation der Söhne Jakobs, sondern auch in der Generation der Enkel nur ein einziger weiblicher Nachkomme erwähnt wird. Die Geburt der 13 Kinder Jakobs ist in 1Mose 29,32-35 und 1Mose 30,1-24 sowie 1Mose 35,16-18 beschrieben. Dort ist die Geburtsfolge von zwölf Kindern innerhalb von sieben Jahren unter Angabe ihrer Mütter aufgeführt. Dazwischen können keine weiteren ungenannten Töchter geboren worden sein. Auch danach dürften kaum weitere Kinder geboren worden sein, weil Jakob wahrscheinlich nur noch mit seiner nur eingeschränkt fruchtbaren Lieblingsfrau Rahel schlief. Dass Jakob tatsächlich nur eine Tochter hatte, ist also plausibel. Es erscheint aber sehr unwahrscheinlich, dass es von allen zwölf Söhnen bei insgesamt 54 Enkelkindern1 nur eine einzige Enkelin gab. Man kann daher mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass zwar weitere Enkelinnen vorhanden waren, diese aber zum Zeitpunkt des Zugs nach Ägypten schon verheiratet oder einem Mann versprochen waren, und deshalb bei der Familie des (künftigen) Mannes zurückblieben. Die einzige nach Ägypten mitgereiste Enkelin Serach war vermutlich einem ihrer Cousins versprochen oder schon mit diesem verheiratet.2 Ebenso kann als sicher gelten, dass die nicht mitgereisten Enkelinnen mit Angehörigen der Völker verheiratet wurden, aus denen auch die Söhne und Enkel Jakobs ihre Frauen erhielten – sozusagen im Austausch, wie dies schon Sichem bei der Werbung um Dina angeboten hatte (1Mose 34,8-10). Wahrscheinlich haben die Frauen der Söhne Jakobs angestrebt, ihre Söhne und Töchter mit Ehepartnern aus ihrem eigenen Volk zu verheiraten. Dann wären den zurückgebliebenen Töchtern, die wahrscheinlich noch nicht alle im heiratsfähigen Alter waren, ihre neuen Familien nicht völlig fremd gewesen, da sie Verwandte ihrer Mütter waren.

Da die Söhne Jakobs mit Ausnahme von Benjamin beim Zug nach Ägypten schon 39 – 46 Jahre alt waren, dürfte die Enkelgeneration mit Ausnahme der Kinder Josefs und Benjamins schon nahe am oder im heiratsfähigen Alter gewesen sein. Deshalb haben wohl die Söhne der zehn älteren Söhne Jakobs ihre Ehefrauen oder ihre versprochenen Bräute ebenfalls nach Ägypten mitgeführt. Absichtserklärungen, dass auch die noch sehr kleinen Söhne Benjamins und die schon in Kanaan geborenen Urenkel Jakobs später Frauen aus den drei verwandten Völkern heiraten sollten, dürfte es ebenfalls schon vor dem Zug Jakobs nach Ägypten gegeben haben. Die Heiratsverträge für diese Nachkommen Jakobs, für die es vermutlich keine gleichaltrigen weiblichen Nachkommen Jakobs gab, könnten dann im Zusammenhang mit den Trauerfeierlichkeiten beim Tod Jakobs (1Mose 50,7-13) erfolgt sein. Jakob starb mit 147 Jahren (1Mose 47,28) 17 Jahre nach dem Zug nach Ägypten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Söhne Benjamins und die vier Urenkel Jakobs zwischen 17 und 23 Jahre alt (siehe ‎5.5.4).

Jakob gebot seinen Söhnen, ihn in der Höhle Machpela (in der Nähe der heutigen Stadt Hebron) zu begraben, wo auch seine Väter begraben worden waren (1Mose 49,29-31). Nach seiner Einbalsamierung zogen die Großen Ägyptens mit dem Haus Josef, seinen Brüdern und dem ganzen Haus Jakobs bis auf Kinder und Vieh mit zu seiner Trauerfeier (1Mose 50,7-8). Interessanterweise fanden die siebentägigen Trauerfeierlichkeiten nicht bei der Höhle Machpela mitten im Gebiet der Kanaaniter sondern östlich des Jordans im heutigen Jordanien statt (1Mose 50,10), wo das Siedlungsgebiet der Moabiter und Ammoniter lag (siehe Anlage 6a). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Trauerzug vom Land Gosen entlang des Mittelmeeres durch den Sinai, dann quer durch den Negev bis zum Land Edom und schließlich östlich des Toten Meeres durch Moab bis in die Steppen Moabs östlich des Jordans (nahe beim Land Ammon) zog, wo an der Tenne Atad die Trauerfeierlichkeiten stattfanden. Das ist eine Wegstrecke von mehr als 500 km. Unterwegs wurden in Edom und Moab die Verwandten Jakobs (die Familien seiner Enkelinnen, Schwiegertöchter und Schwieger-Enkelinnen sowie die Nachkommen seines Bruders Esau), die an der Trauerfeier teilnehmen wollten, aufgenommen. Erst nach den siebentägigen Trauerfeierlichkeiten brachten ihn seine Söhne ins Land Kanaan und begruben ihn in der Höhle Machpela (1Mose 50,13).

Aus dem AT-Text ergibt sich somit eindeutig, dass der Kontakt zu den verwandten Völkern der Edomiter, Moabiter und Ammoniter frühestens nach dem Tod Jakobs abriss. Die noch im Land Kanaan geborenen jüngeren Enkel (Söhne Benjamins) und Urenkel Jakobs, die zu diesem Zeitpunkt schon im heiratsfähigen Alter waren und für die es unter den Nachkommen Jakobs keine gleichaltrigen Frauen gab, haben daher ebenfalls ziemlich sicher Frauen aus diesen Völkern geheiratet. Lediglich die beiden Söhne Josefs mussten wahrscheinlich aufgrund seiner Position als Wesir Ägyptens – wie schon Josef selbst – Töchter von ägyptischen Würdenträgern heiraten. Im Übrigen dürfte aber wie in Kanaan auch in Ägypten eine Heirat mit den Bewohnern des Landes verboten gewesen sein, da das Volk Israel sonst seine Identität verloren hätte. Auch deshalb stellte Josef dem Pharao seine Familie als in Ägypten verachtete Viehhirten vor, um eine von den Ägyptern abgetrennte Ansiedlung im Land Gosen zu erreichen (1Mose 46,33-34).

Damit hatten wahrscheinlich zehn der zwölf Söhne Jakobs und 48 der 51 überlebenden Enkel Jakobs moabitische, ammonitische oder edomitische Frauen.3 Wie viele Enkelinnen Jakob hatte, kann nur geschätzt werden. Bei 53 männlichen Enkeln waren es aber ziemlich sicher mindestens 30 Mädchen. Durch diese Frauen stammten auch viele Edomiter, Moabiter und Ammoniter von Israels Stammvater Jakob ab. Auch die meisten Israeliten hatten durch die Frauen der Söhne und Enkel Jakobs edomitische, moabitische oder ammonitische Vorfahren. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum diese drei Völker mit der Begründung, dass sie verwandte Völker waren, nicht angegriffen werden durften (5Mose 2,4-5+9+19), während die von Abraham selbst abstammenden Midianiter, die eigentlich enger verwandt waren, als die nur von Abrahams Neffen abstammenden Moabiter und Ammoniter, angegriffen werden durften (siehe ‎4.1.2).

  • 1 51 noch lebende männliche Enkel beim Zug nach Ägypten + die Enkelin Serach + zwei schon vorher verstorbene Söhne Judas (1Mose 46,8-27)

    2 Serach wird als einzige von Jakob abstammende Frau ihrer Generation, die dem Volk Israel erhalten blieb, auch in 4Mose 26,44-46 und 1Chr 7,30 neben ihren Brüdern namentlich erwähnt.

    3 Josef hatte eine ägyptische Frau und Juda eine kanaanitische und mit Tamar eine weitere Frau mit wahrscheinlich ebenfalls kanaanitischer Herkunft. Die Söhne Josefs heirateten wahrscheinlich ägyptische Frauen und ein Enkel Jakobs mit Serach eine Enkelin Jakobs, alle übrigen wohl moabitische, ammonitische oder edomitische Frauen. Von den insgesamt (10 + 48 =) 58 Ehefrauen aus diesen drei Völkern waren schon (58 – 10 Söhne Benjamins – 4 Urenkel Jakobs =) 44 beim Zug nach Ägypten dabei. Aus Apg 7,14 kann man schließen, dass davon nur neun Frauen edomitischer Herkunft und damit ebenfalls enge Verwandte waren (siehe ‎5.5.1). Dass von den Edomitern weniger Frauen kamen, als von den beiden anderen Völkern, ist plausibel, da Moab und Ammon mit Isaak gleichaltrig waren und diese beiden somit drei Generationen mehr Zeit zur Vermehrung hatten, als der 60 Jahre jüngere Esau, der erst mit 40 Jahren heiratete (1Mose 25,25-26; 1Mose 26,34).