In 2Mose 13,2 ergeht folgende Aufforderung Jahwes an Mose:
2 Heilige mir alle Erstgeburt! Alles bei den Söhnen Israel, was zuerst den Mutterschoß durchbricht unter den Menschen und unter dem Vieh, mir gehört es.
An dieser Stelle – noch vor dem Auszug aus Ägypten – wird zum ersten Mal im AT aufgefordert, Gott alle Erstgeburt zu heiligen, d.h. zu weihen oder auszusondern. Hier steht im Hebräischen ebenfalls der Begriff בְּכוֹר (BöKhOR).1 Dieser wird aber mit dem Zusatz פֶּטֶר כָּל־רֶ֙חֶם (PäThäR KoL-RäChäM) „alles, was zuerst den Mutterschoß durchbricht“ näher erläutert. In 2Mose 13,12 wird der Begriff „Erstgeburt“ weggelassen: „… dann sollst du dem Herrn alles darbringen, was zuerst den Mutterschoß durchbricht“. Diese Aussage wird im folgenden Satz auf die männliche Erstgeburt des Viehs eingeschränkt.
Der Mutterschoß kann nur bei den weiblichen Tieren durchbrochen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass beim Vieh auf jeden Fall die Erstgeburt eines Muttertieres gemeint war, die Gott dargebracht werden musste, und nicht der erste Nachkomme des Vatertieres. Dafür sprechen auch die beiden folgenden Gründe:
- Waren in einer größeren Herde mehrere männliche Tiere vorhanden, so konnte man gar nicht wissen, von welchem Vatertier die Nachkommen waren bzw. ob dieses schon andere (unter Umständen nur wenige Tage früher geborene) Nachkommen hatte.
- Wenn in einer kleineren Herde nur ein Bock oder Stier für die Zucht gehalten wurde, so würden alle Tiere von diesem abstammen und es wäre u.U. über Jahre kein einziges Tier Gott zu weihen.
Wenn die Erstgeburt eines Mutterschafes weiblich war, musste sie Gott nach der oben genannten Einschränkung nicht dargebracht werden. Sollte dieses Muttertier im zweiten Jahr dann sein erstes männliches Lamm zur Welt bringen, so war dieses ebenfalls nicht Gott zu weihen, weil es den Mutterschoß nicht mehr durchbrach, da dieser schon durch die erste Geburt geöffnet war. Außerdem wäre es in einer großen Herde schon praktisch sehr schwierig gewesen, im zweiten Jahr noch zu wissen, welches Mutterschaf, das schon ein- oder mehrmals geboren hatte, bisher nur weibliche Nachkommen hatte.
Nach 5Mose 15,19-21 durfte auch die männliche Erstgeburt Gott nicht dargebracht werden, wenn sie einen Makel hatte. Genauer definiert wird dieser Makel in 3Mose 22,20-24. Danach dürfen Tiere, die blind oder verstümmelt sind, ein gebrochenes Glied, eine Warze, die Krätze oder eine Flechte haben, nicht geopfert werden.
Es liegt also für die Gott zu weihenden Erstgeborenen beim Vieh eine andere Definition vor, als oben für das Erbrecht beim Menschen dargestellt wurde. Die Erstgeborenen beim Vieh mussten außerdem getötet und Gott geopfert werden, was bei Menschen nach dem Mosaischen Gesetz nicht denkbar war. Deshalb prüfe ich im nächsten Abschnitt, welche der beiden Definitionen für die Erstgeborenen bei den Menschen galt, die Gott zu weihen waren, und was mit diesen zu geschehen hatte.