In Anlage 5, Tab. 9 ist ein Vergleich zwischen erstem und zweitem Zensus für die Anzahl der Einheiten, die Anzahl der Männer über 20 und die durchschnittliche Gruppengröße dargestellt. Es zeigt sich, dass zwischen den Stämmen eine sehr unterschiedliche Entwicklung bei den Kopfzahlen von -47,8 % bis +125,0 % vorliegt. Dies kann nicht allein durch unterschiedliche Geburtenzahlen oder eine unterschiedliche Altersstruktur beim ersten Zensus (siehe ‎3.2: Beispiel Juda) erklärt werden. Es müssen gravierende Auswirkungen der Gerichte nicht nur unter den beim ersten Zensus Gemusterten, sondern auch bei der jüngeren Generation angenommen werden. Nachfolgend werden die Zahlen der Stämme mit dem größten Bevölkerungsrückgang und -wachstum zwischen erstem und zweitem Zensus plausibilisiert.

Beim Stamm Simeon ist die Anzahl der Einheiten von 57 auf 21 (-63,2 %) und die Zahl der Männer über 20 Jahren von 2.300 auf 1.200 (-47,8 %) zurückgegangen. Er muss besonders schlimm von dem Gericht in 4. Mose 25 mit insgesamt 24 ÄLäPh Toten betroffen gewesen sein. Darauf deutet 4Mose 25,14 hin, wo ausdrücklich ein Sippenoberhaupt der Simeoniter erwähnt wird, das an der Hurerei und dem Götzendienst Israels beteiligt war und sogar eine Midianiterin mit ins Lager brachte. Wenn man von diesem Oberhaupt auf den ganzen Stamm schließt, könnten ebenfalls viele Männer und auch Anführer von dem Gericht betroffen gewesen sein. Wurden in der Folge wegen fehlender Anführer Gruppen zusammengelegt, wäre dadurch kurz vor dem zweiten Zensus die mit 57,14 deutlich über der Sollgröße von 50 liegende durchschnittliche Gruppengröße verursacht worden.

Das stärkste Wachstum bei den Wehrfähigen von 1.200 auf 2.700 Mann (+125,0 %) hat der Stamm Manasse. Dieser Anstieg entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate in einem Zeitraum von 39 Jahren von 2,1 %.1 Afrika hatte im Zeitraum 2010 bis 2015 jährliche Wachstumsraten von 2,53 bis 2,62 %, 1980 bis 1985 sogar von 2,76 bis 2,96 %.2 Manasse stand wie auch Ephraim für das Wachstum in Ägypten eine Generation weniger zur Verfügung als den übrigen Stämmen, da die Nachkommen Josefs in zwei Stämme aufgeteilt waren. Diesen Nachteil hatten sie jedoch bis zum Exodus schon weitgehend aufgeholt. Dies passt zu der besonderen Mehrungsverheißung in 1Mose 48,14-20. Während jedoch Ephraims Bevölkerungszahl (zumindest was die über 20-Jährigen betrifft) während der Wüstenwanderung stagniert, wächst Manasse deutlich. Bei Manasse dürfte daher die jüngere Generation von den Gerichten kaum betroffen gewesen sein. Manasse und Ephraim zusammen waren beim zweiten Zensus mit 4.200 Mann schon wesentlich zahlreicher (siehe Jos 17,14) als der nächstgrößte Stamm Juda mit 3.500 Mann. Manasse war sogar so zahlreich, dass eine Aufteilung auf zwei Siedlungsgebieter erfolgte. Die eine Hälfte des Stammes erhielt schon vor der Jordanüberquerung ein Gebiet im Ostjordanland (4Mose 32,33). Die andere Hälfte Manasses erhielt zusammen mit Ephraim ein weiteres Siedlungsgebiet in Kanaan (Jos 16 und Jos 17, siehe Anlage 6a).

Sowohl der extrem starke Rückgang bei Simeon wie auch das weit überdurchschnittliche Wachstum bei Manasse sind erklärbar und lassen sich mit biblischen Aussagen plausibilisieren. Eine weitere Begründung der geringeren Abweichungen bei den anderen Stämmen ist eigentlich nicht erforderlich, da bei Berücksichtigung der Verwerfungen durch massive Gerichte gar nicht zu erwarten ist, dass die Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Stämme völlig gleichförmig verläuft. Aus den biblischen Angaben lassen sich jedoch bei genauerem Hinsehen einige Hinweise entnehmen, die die Ursachen für die extrem unterschiedliche Entwicklung bei den einzelnen Stämmen besser nachvollziehbar machen. Diesen Hinweisen gehe ich im Zusammenhang mit der Untersuchung der Auswirkungen der Gerichte während der Wüstenwanderung in den Abschnitten ‎8.1 bis ‎8.2.2 weiter nach. 

Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Wachstum bei den zwölf Stämmen bezogen auf die Kopfzahl der über 20-jährigen Männer mit einer Steigerung um 2.180 von 23.550 auf 25.730 Mann sehr gering ausfiel. Es betrug +9,3 % in 39 Jahren, was einer jährlichen Wachstumsrate von nur 0,23 % entspricht. Weitere Gründe für dieses geringe Wachstum – neben den Gerichten – werden in Abschnitt ‎5.8.3 benannt.

  • 1 Ausgangsanzahl von 1.200 x 1,02139 = 2.699 Endbevölkerung (hier: Männer über 20 Jahren)

    2 Vgl. UNITED NATIONS DESA / POPULATION DIVISION, World Population Prospects 2022, Url: https://population.un.org/wpp/Download/Standard/MostUsed/ , (Aufruf: 23.11.2022);
    Schaltfläche "Download Data files" anklicken; Datei “Compact (estimates and medium projections) (xlsx)” auswählen;
    In der heruntergeladenen xlsx-Datei:
    - Spalte C “Region, subregion, country or area” filtern auf Inhalt: “Africa”;
    - Spalte V “Population Growth Rate (percentage)” ablesen für die gewünschten Jahre (siehe Spalte “year”)