Laut Jos 7,2 lag die Stadt Ai bei Bet-Awen und östlich von Bethel. Traditionell wurden Bethel mit dem heutigen Beitin und das Ai Josuas mit den Ruinen von et-Tell identifiziert. Im Jahr 2007 vertrat Klaus Koenen im wissenschaftlichen Bibellexikon im Internet bezüglich Ai diese Sichtweise.1 Die Ausgrabungen haben jedoch gezeigt, dass et-Tell in der mittleren und späten Bronzezeit nicht besiedelt war.2 Die Ortsangabe beim Einzugsbericht Abrahams (1Mose 12,8) bezog sich wohl schon auf die Ruinen der früheren großen Stadt Ai. Koenen kam deshalb – wie viele Ausleger vor ihm – zu dem Ergebnis, dass die Erzählung in Jos 7 und 8 nicht historisch ist.3 Forscher, die an der Historizität des biblischen Berichts festhielten, suchten Josuas Ai deshalb an anderer Stelle. In diesem Zusammenhang wurde auch die Gleichsetzung von Bethel mit dem heutigen Beitin in Frage gestellt. Schon 1970 identifizierte David Livingston Bethel mit dem heutigen el-Bira.4

Ende der 1990er Jahre wurden bei Ausgrabungen unter der Leitung von Bryant G. Wood in Khirbet el-Maqatir – etwa 1 km östlich von et-Tell – Reste einer Stadt gefunden, die erstaunlich gut zu dem biblischen Bericht über Josuas Ai passen. Es wurde ein Teil des nach Norden gerichteten Tores sowie Teile von vier Meter dicken Stadtmauern freigelegt. Außerdem wurden Beweise für eine Zerstörung durch Feuer gefunden. Auch die geografischen und landschaftlichen Hinweise im Bibeltext passen hervorragend, wenn man das biblische Bet-Awen mit Beitin gleichsetzt.5 So liegt Khirbet el-Maqatir 1,5 km südöstlich von Bet-Awen/Beitin und 3,5 km nordöstlich von el-Bira/Bethel, was zu den Angaben in Jos 7,2 passt. In Anlage 6d sind drei Abbildungen von Khirbet el-Maqatir zusammengestellt. Abbildung 2, ein Luftbild mit Blick von Norden, zeigt rechts das westlich von Ai gelegene tiefe Wadi Sheban, das sich gut als Versteck für den Hinterhalt eignet (Jos 8,9+12). Eine Aufnahme von Norden zeigt das vor dem Stadttor Ais gelegene flachere Tal (Wadi Gayeh), in dem Josua sein Heer aufstellen konnte, um die Kämpfer Ais aus der Stadt zu locken (Abbildung 3, Jos 8,13b-14). Nördlich dieses Tales liegt etwa 1,5 km entfernt mit dem Jebel Abu Ammar ein Hügel, der sich als Lager für Josuas Heer eignete. Wood ist sich aufgrund der vorstehenden Gründe sicher, dass er Josuas Ai gefunden hat.6

Khirbet el-Maqatir/Ai liegt von Jericho aus gesehen ca. 20 km entfernt Richtung Westen. Von Jericho (250 m unter NN) nach Ai (ca. 900 m über NN) waren 1.150 Höhenmeter zu überwinden. Der direkte Weg ist auf der Karte in Anlage 6c rot markiert und mit „Zeboim-Route“ bezeichnet.

  • 1 Vgl. Klaus Koenen: Ai (2007), in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, Url: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/12877/ , Ziffer 2. Lage (Aufruf: 10.12.2022)

    2 Vgl. ebd., Ziff. 4.1.5. Die Erneuerung der 3. Stadt

    3 Vgl. ebd., Ziff. 3. Biblische Erzählung

    4 Zusammenfassung der Begründung Livingstons und Bimsons für die Identifizierung Bethels mit el-Bira siehe Bryant G. Wood: The search for Joshua’s Ai. In: Critical Issues in Early Israelite History. Hg. von Richard S. Hess, Gerald A. Klingbeil, and Paul J. Ray Jr. Winona Lake, Indiana: Eisenbrauns 2008, S. 205-240, hier S. 214-221, siehe auch Url: https://biblearchaeology.org/images/archaeology/The-Search-for-Joshuas-Ai.pdf , S. 14-21 der pdf-Datei (Aufruf: 10.12.2022)

    5 Ausführliche Begründung für die Gleichsetzung von Bet-Awen mit dem heutigen Beitin siehe Wood: The search for Joshua’s Ai., S. 221-228 (pdf: S. 21-28)

    6 Vgl. Wood: The search for Joshua’s Ai, S. 230f (pdf: S. 30f)